previous Kolumnen
Galerie Peter Herrmann
english
grey line
 

Ein besonderes Highlight dürfte die Ausstellung

Die andere Moderne Afrikas

werden.

Das Lindenmuseum Stuttgart zeigt vom 15.5. bis 26.9.2004 die Sammlung des Hauses.

Unbemerkt von außen ist das Linden-Museum eine jener Institutionen, die Kunst afrikanischer Künstler ankauften und somit meine viele Jahre gültige These mangelnder Präsenz in deutschen Museumssammlungen zu Vergangenheit werden ließ.

Ein Umstand der freudig stimmen sollte. Wäre nicht beim Linden-Museum für Völkerkunde in meiner Herkunftsstadt Stuttgart eine ganze Reihe von Nonsens zu erwarten. Schon gar nicht mehr darauf eingestellt, daß die dortige Afrikaabteilung je wieder eine Ausstellung zu realisieren in der Lage ist, wurde ich in einem Programmheft auf die nicht mehr erwarteten Aktivitäten aufmerksam.

Beim Betrachten der Anzeige mußte ich unwillkürlich schmunzeln. Herr Dr. Hermann Forkl, der vermutete Urheber des Ausstellungsgedankens, schien dem imaginären Begriff Modern etwas alternatives entgegensetzen zu wollen in dem er die Andere Moderne betont. Mutig. Kaum ist zaghaft im Dschungel westlicher zeitgenössischer Kunst etwas angekommen, was man in allen Differenziertheiten als Kunst aus Afrika bezeichnen könnte, setzt er allen Ausstellungen der letzten Jahre ein burschikoses Anderes entgegen.

Das muß man dem Herr Forkl lassen: Er geht wacker in die Bresche. Man glaubt geradezu eine Staubwolke hinter ihm zu sehen. Doch keine falschen Vorstellungen. Die kommt von der Sütterlin-Schrift der sich in den Vitrinen auflösenden Papierzettel, die sich fünf Zentimeter dick auf seinen Schultern abgelagert hatten, während dem Gang durch die einsamen Archive, in der Hoffnung, das Andere dort zu finden.

Der graublaue Anzeigenhintergrund wird durchwabert von einer dezenten Naivlichkeit der Provinienz Oshogbo, einem Zentrum für yorubaischen Devotionalienhandel in Nigeria. Mystisch streifen spirituelle Geistwesen über einen bunten Farbfleckenteppich, dass es dem Ethnologen ganz inniglich ums Herz wird vor so viel ursprünglicher Bewahrung inmitten des Untergangs der Kulturen. In der Annonce ist die Farbe wegen eines herzlosen Grafikers aber nicht zu sehen. Davor aber in rot ein stehender unförmiger Arm (im Original: liegend und braun) an dessen oberen Ende die unförmige Hand eine staunende, unförmige Maske am Kinne hält. Freigestellt und erbarmungslos draufgeklotzt auf das Oshogbo.

Nach Betrachten der Annonce schossen alte Mutmassungen durch meinen Kopf. Wird Herr Forkl, dessen persönliches Motto lautet "Wie es in Wirklichkeit einmal war" auch Herrn Tingatinga ausstellen? Jener von Entwicklungshelfern entdeckte Hausangestellte, der in der Arbeitslosigkeit herzallerliebste Tierbildlein fürs Kinderzimmer mit popigem, nicht beissfestem Acryl auf Hartfaser bemühte und damit eine seit Jahrzehnten florierende Tourismuseinnahme begründete? Wird Herr Forkl seine Friseurschildersammlung, von der Gerüchte sagen, er, Herr Forkl, dienstlich, habe sie von Herr Forkl, privat, erworben, nun endlich zeigen? Die uns so lange vorenthaltene? Von der er trotz mehrerer Anfragen nie dementierte, daß der Kaufpreis 160.000,- harte Mark gewesen sein soll. Einige Schilder die er Mitte der Neunziger ankaufte, waren schon damals gut zum Spotten als wir mitbekamen, er halte sie für Kunst. Wird er uns nun ernsthaft sagen, dies sei die andere Moderne? Worüber wir uns schon vor zehn Jahren erheiterten, - wird er es nun tatsächlich wahr machen?

Wird er die formvollendeten Steine aus Zimbabwe zeigen, wo mittlerweile eine halbe Staatsbevölkerung dabei ist, ein Serpentin-Gebirge abzutragen um den Bedarf einer weltweitweissen Klientel nach zimbabwesischen Traum- und Geistgestalten zu befriedigen, die ihre echt-eichenholz-furnierte Wohnzimmerschrankwand ästhetisch mit nachgemachten Munyaradzis schmücken? Werden die Linoleumdrucke der Presbiterian Handcraft Centers in der Anderen Moderne Forkls erscheinen? Und, bitte bitte, noch eine Makondefigur obenauf. Schön glattpoliert, daß sich der Staub nicht darauf niederlässt. Aber bitte mit einer Cites-Bescheinigung. Gell, Herr Forkl, nicht vergessen - Ebenholz - Artenschutz. Nicht dass wir als Beamter ein Massenprodukt mit 16 % Mehrwertsteuer zu Kunst erklären, um über diesen Umweg Ramsch zu adeln.

Solche Gedanken gingen mir durch den Kopf. Dann ein Blick auf die Internetseite des Museums und - die schlimmsten Befürchtungen nahmen Gesicht an. Friseurschilderkunst, Gebrauchskunst, und, siehe da: "der Bogen von der expressiven Schnitzkunst des Makonde-Volkes über die vielfältige akademische Malerei und die drastische politische Kunst Äthiopiens bis hin zur farbenfrohen Schildermalerei des westlichen Afrika."

Die drastische politische Kunst Äthiopiens hatte ich vorher vergessen. Das sind Bilder zumeist von völkischen Schlachtungen und auch von Liebe, mutigen Löwenjägern und ähnlich bedeutungsvollen Genres im Stile der traditionellen Ikonenmalerei. Bei der großen vorhandenen Menge dieser Arbeiten wird unsere Feldforscher sicherlich auch ein schaffendes Epizentrum bezeugen können. Diese Tradition der Volkskunst lässt sich über Jahrhunderte nachvollziehen. Was daran modern sein soll, ist schwer zu begreifen.

Die ganzen Diskussionen um das Thema Kunst und Völkerkunde in den letzten Jahren spurlos am Linden-Museum vorbeigegangen? Alles was an Dämlichkeiten langsam aus dem Weg geräumt wurde, nun komprimiert als zusammengefegter Müll in Stuttgart, dem Häuptlingssitz des Volkes der Schwaben? Afrikas vergangene, verwirrend als primitiv bezeichnete Kunst nun wieder nahtlos angekommen in der Moderne als Naiv? Jener klassische und schon strafwürdig bescheuerte didaktische Fehler der siebziger Jahre aufgewärmt in einem verzweifelten Versuch eines durch und durch zurückgebliebenen Doktors der Ethnologie vom Stamm der Bayern? Ist es das, was uns erwartet?

Ihr Götter laßt Hirn herunter.

Können sich außer Ethnologen noch einige Leser an die siebziger Jahre Deutschlands im Zusammenang mit Kunst aus Afrika erinnern? Die Bearbeitung alter Kunst war in den antiseptischen Händen von einigen wenigen Museumsbeamten angelangt und dadurch für die Folgezeit zu immer größerer Bedeutungslosigkeit verdammt die kein nachwachsendes Publikum mehr interessierte. Sternstunde der unfruchtbaren Partnerschaft von Ethnologe und Studienrat. Der Begriff Kunst wurde damals noch in ethnologischen Kreisen negiert, weil Naturvölker kein Wort für Kunst hätten. Auf der Suche nach einer solchen, die per Theorie im Wandel entstehen müsse, gepaart mit einer heute eigentümlich anmutenden Sehnsucht, erklärten akademische Feldforscher alles was bunt genug war für ihre Moritatensammlung zu Kunst. Hauptsache es wurde eine Geschichte erzählt, die sich als Baustein ihrer soziologischen Tautologie eignete. Skuril, erschreckend, mythisch, naiv, kindlich und lustig hießen die Auswahlkriterien. Kunstsammlungen entstanden, in denen unbedarfte Philantropen für dreimal gar nichts alles sammelten was in strahlendem Acryl in der Sonne leuchtete. Noch besser, wenn das Schild wegen mangelnder Grundierung, die wiederum kein Kriterium war, authentisch abblätterte.

Die in Afrika vorhandenen Akademien wurden weitgehend ignoriert, da sie zu sehr an das westliche Bild erinnerten. Dafür wurden aufgeblasene do it yourself Tausendsassas hofiert, die sich wie Christbäume ausputzten, mächtig neben dem Malen von Geistern hüpften und den neuen Begriff Performance dafür hingelegt bekamen. Am Besten man nannte sich Prinz und erfand noch eine griffige Geschichte dazu. Fast alle solcherart entdeckten und selbstgebauten Künstler waren Schildermaler, Studiofotografen, Dorfpriester, kurz, meist Handwerker und Hausangestellte.

An genau jene siebziger Jahre hängt sich Herr Forkl im Jahr 2004 nun wieder an. Würde dies vor dem Hintergrund einer Reflexion der Zeit unter Berücksichtigung kunsthistorischer Zuordnungen kritisch diskursiv stattfinden, könnte diese Ausstellung bei allem Lamento zu einem Gewinn werden. Nicht alles über das ich hier ein wenig oberflächlich herziehe ist schlecht, das meiste ist eher eine Unterscheidung von Begrifflichkeiten. Die Sammlung von Gunter Péus, die unser Stuttgarter Beamter sehr offensichtlich kopiert, ist, bei allem was sich aus heutiger Sicht als Graus entpuppte, ein zeitgeschichtlich wichtiges und wertvolles Engagement. Doch mit Forkl dürfte sich der Bock zum Gärtner machen. Alles was die letzten zwanzig Jahre vor dem Hintergrund von Exotismus, Eurozentrismus, Kulturimperialismus, Wunschprojektionen, Mitleidsfalle und Vermittlungsfehler geschrieben und geredet wurde, ich seh es kommen - Forkl will mit einem cholerischen Federstrich all dies wieder wegwischen.

Folgt er den Anforderungen der Zeit oder negiert er eben diese, weil es in einem wissenschaftlichen Zusammenhang wichtiger ist, nicht Zeitgeist sondern unspektakulären Nonkonventionalismus gelten zu lassen? Muß er populistische Kompromisse machen um ausbleibende Besucher zu locken?

Nichts von alledem. Es findet etwas statt was sich ungefähr wie folgt entwickelt haben könnte: In einsamen Studienjahren festigten sich bunte Bilderlein. In den Jahren am Museum setzte sich ein Faible für rustikale Farbigkeit fort, diesmal sichtbar am Entfernen von hochkarätigen alten Exponaten die in den Vitrinen der Dauerausstellung durch kindliche Recyclingmotorräder ersetzt wurden. Immer einsamer, entwickelt sich augenscheinlich so etwas wie Trotz in unerquicklicher Verbindung mit eigenen Investitionen, die zur Triebfeder alles Handelns des Breitkordhosenträgers wird.

Es ist der abstossende Gestus von vorgeschobener Wissenschaftlichkeit, voller Begriffsfehler und unzeitgemäßen Betrachtungen, die diese Ausstellung schon jetzt absehbar zum Ärgernis für Viele werden lässt. Für diese Ausstellung zeichnet eine Institution verantwortlich, die die Vermittlung von Weltkulturen mit ernster Miene pädagogisch proklamiert. Doch schon in der Vorankündigung stecken so viele Unbedachtheiten, dass das Schlimmste nach der Eröffnung noch zu erwarten ist.

Dass sich aus dem Bereich der Schildermalerei einige Künstlerpersönlichkeiten entwickelten ist allgemein bekannt. Dass daraus ableitend die afrikanische Werbegrafik zur Kunst mutierte, weil einige seiner Protagonisten diesen Weg gingen ist wiederum schlicht Unsinn. Bei allen kontinentalen Unterschiedlichkeiten ist im zwanzigsten Jahrhundert Werbegrafik hier wie dort Werbegrafik, kunsthandwerkliche Kleinserie ist hier wie dort Kunsthandwerk und Kunst ist hier wie dort mehr als nur naiv aus dem Bauch heraus ohne Materialkenntnisse hingeschlonzte Geschichtlein. Der Malkurs der Volkshochschule ist in Afrika die Missionsstation. Aus einem vom sprachlichen Aussterben bedrohten Angehörigen eines Clans, der nach ethnologischer Stimulierung mit Buntstift seine Stammesmythen krakeliert, wird schwerlich ein Künstler. Und schon gar nicht per se.

Doch nun kommt der vergnügliche Teil. Die Ausstellung würde sich auch dem Thema Kitsch widmen steht in besagter Anzeige geschrieben. Wobei mir auch hier die Ausdrucksweise zu ungenau geraten scheint. Es könnte wahrscheinlicher heißen: Die Ausstellung handelt von Kitsch. Der Titel müsste folgerichtig in Der andere Kitsch Afrikas umbenannt werden. Noch treffender: Der eigentliche Kitsch Afrikas.

Oder müssen wir jetzt europäisch umdenken? Das weinende Zigeunerkind als Reliefdruck in Kunststoffrahmen, der Eifelturm aus Bakelit als Fernsehreliquie und die sinnreiche Schneekugel als Die Andere Moderne Europas? Das wird schwerfallen.

Staunen Sie mit. Fiebern Sie mit. Wird er es tun? Der wackere Herr Forkl und vielleicht gar seine Matrix Firla? Wird mein Lieblingsunethnologe noch eins draufgeben und vielleicht selbst noch über Kunst schreiben? In dem selbst herausgebrachten Katalog? Oder tut es K.-F. Tingatinga Schädler?

Der Begriff "akademisch" mitten im Gebrauchskunstwirrwarr, lässt der auf die naive Sammlung Péus schließen? Hat der Ausstellungsmacher sich dort bedient? Haben die Herren sich zusammen getan? Schlagen die siebziger Jahre erbarmungslos zurück? Ist die neue moderne Sammlung eine exakte Kopie der Ausstellung Horizonte'79 im Rahmen des 1. Festivals der Weltkulturen in Berlin?

Ist Das Andere deshalb ein schlichtes Produkt von Einfallslosigkeit?

Zuviel der Fragen.

Lassen Sie uns gemeinsam gespannt sein. Ich kann es kaum erwarten: die Zeit nach dem 15.5.2004 im Lindenmuseum.

Peter Herrmann, im April 2004

P.S.: Staublappen kaufen

top

modern kitsch

Die andere Moderne Afrikas

grey line
previous Kolumnen