Sonntag, 27. Januar 2002

Warten auf Okwui Enwezor - aber der kam nicht

Hätte sie doch geschwiegen, die bündnisgrüne Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Antje Vollmer war eine reizende Gastgeberin, als sie am Freitagabend die zeitgenössische Berliner Kunstszene in den Clubraum des Reichstagsgebäudes bat. Aber auch ein wenig ungeschickt. Aber wer wäre nicht nervös geworden, wenn der Stargast des Abends ausbleibt - der, wegen dem alle gekommen waren. Die Fernsehteams, die Zeitungsjournalisten und die Wichtigsten der Wichtigen der Kunstszene. Okwui Enwezor aber, der Chef der documenta 11, kam nicht. Er könne New York nicht verlassen, sein Schwiegervater sei sehr krank, sagte Frau Vollmer. Und als würde diese Entschuldigung nicht reichen: "Das stimmt wirklich." Als dann gelacht wurde, schob sie hinterher, dass das nicht lustig sei. Niemand solle auf die Idee kommen, Enwezors Abwesenheit hätte etwas mit der Kampagne zu tun, mit der in der vergangenen Woche versucht worden wäre, ihn in Verruf zu bringen.

Alles Quatsch, hatte der documenta-Chef gesagt. Gemeint war die Email einer "Südafrikanischen Frauenorganisation gegen Missbrauch in der Kunst", in der behauptet wurde, Enwezor wäre einer Künstlerin gegen ihren Willen zu nahe gekommen. Zudem, so die vermeintlichen Frauenrechtlerinnen aus Südafrika, wäre er bereits Insasse einer Untersuchungszelle gewesen, weil er einen Drucker mit einem Schwert bedroht hätte.

Tatsächlich klingt das alles nach einer Rufmord-Kampagne. Hätten die Absender es sonst nötig gehabt, das Pamphlet im Namen einer Organisation zu versenden, die es gar nicht gibt, und auch noch unter einer Internet-Adresse, die sogleich gelöscht wurde? Aber ob Antje Vollmer Enwezor wirklich einen Gefallen getan hat, ist zu bezweifeln. Irgendwie klang die Rechtfertigung der Vize-Präsidenten so, als müsste sie sich selbst von Enwezors Unschuld überzeugen.