Graue Linie
Rede auf der Joburg art Fair

Texte Reden

Sonntag 28. März 2010 | 15 - 15.30 Uhr
Galerie Peter Herrmann
Peter Herrmann: Politico-Cultural Relations between South Africa and Germany

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ende der 90er Jahre war ich als Kulturexperte für Afrika auf einem Weltbankkongress eingeladen. Trotz aller Bedenken gegenüber dieser Organisation verfolgte ich mit großem Interesse die Inhalte und war überrascht über die Strategien die angestrebt wurden.

Von großen Summen für den afrikanischen Kontinent war die Rede und von vielerlei Interessen auf wirtschaftlicher Ebene. Auch wenn Kultur kaum eine Erwähnung fand, war doch die Botschaft wichtig, dass diese erwähnten Gelder über ein solides Südafrika als Tor zum restlichen Kontinent eingepumpt werden sollten.

Ich habe noch nicht recherchiert, ob die damals anvisierten Milliarden auch tatsächlich geflossen sind. Wenn, dann kaum im Kultursektor, denn das hätte man gespürt. Es gibt die üblichen länderrepräsentativen Kulturinstitutionen, im Falle Deutschlands das Goethe-Institut. Diese Institution ist hier in Südafrika so etwas ähnliches wie die Leitzentrale deutscher Kulturpolitik für das ganze Afrika. Insofern funktioniert sie theoretisch im strategischen Sinne der Weltbankvision. Allerdings gehen von hier aus keine wirklich spürbaren Impulse aus. Eine Ausstellung mit Jürgen Schadeberg in seiner Geburtstadt Berlin im Jahre 2003 war, als Beispiel, die bisher einzige Kooperation meiner Galerie mit dem Goethe-Institut. Die Initiative zu dieser Kooperation ging allerdings von Berlin und nicht von Johannesburg aus.

Man könnte also sagen, dass das hiesige Institut nicht wirklich nach aussen in Erscheinung tritt. Spötter sagen, es wäre günstiger die Schüler die im Goethe-Institut Deutsch lernen, mit einem spendierten Ticket und freiem Aufenthalt nach Deutschland zu schicken. Das wäre unter dem Strich billiger, wie das teure Institut mit seiner Beamtenarmada zu erhalten. Ich will mich allerdings nicht zu negativ äußern. Es gibt immer mehrere Betrachtungswinkel. Der meine ist ein sehr stark von innen geprägter, aus Sicht einer freien Szene in Deutschland, die andere, höhere Qualitätsansprüche geltend macht. Es ist das Verhältnis der Mittelverteilung die in Deutschland immer wieder für Ärger sorgt. Aus einem jüngst für Afrika bewilligten Kultur-Budged von 20 Millionen Euro flossen etwa 19,5 Millionen an ein ohnehin schon reichlich ausgestattetes Goethe-Institut und in andere Beamteninstitutionen. Etwa ein Drittel der Summe wanderte verwunderlicherweise in Sportprojekte. Ungefähr eine halbe Million verteilte sich auf ca 15 freie Projektträger. Aus afrikanischer Sicht dürfte meine Kritik allerdings wie jammern auf hohem Niveau ankommen.

Wir haben in Berlin das eng mit den Goethe-Instituten kooperierende Haus der Kulturen der Welt, wir haben ein in Stuttgart und Berlin ansässiges Institut für Auslandsbeziehungen ( Institut for Foreign Cultural Relations), wir haben Stipendiatenplätze wie das ZKM in Karlsruhe, die Akademy Schloss Solitude in Stuttgart und den Deutschen Akademischen Austauschdienst DAAD in Berlin sowie eine ganze Reihe kleinerer Institutionen für Projekte und Stipendien, die mehr und mehr auch von Künstlern aus Afrika und Südafrika in Anspruch genommen werden.

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Soviel als kurzer Abriss zu deutschen Seite. Betrachten wir nun Afrika mit Südafrika als umtriebigsten Land ganz vorne, sehen wir ein negatives Phänomen. Asien und der amerikanische Kontinent sind ungleich viel präsenter in Deutschland als Afrika. Auch Südafrika scheint hier leider keine Ausnahme. Gemessen an der wirtschaftlichen Bedeutung ist die Kunst sehr unterrepräsentiert. Afrika, und in Deutschland differenziert man bezogen auf den Kontinent nicht allzu sehr, wird wahrgenommen als offene Hand, bereit zum permanenten Nehmen. Die Einseitigkeit kulturellen Engagements ist eklatant. Selten beteiligen sich afrikanische Länder an finanziellen Aufwendungen und auch von Seiten Südafrikas sind wenige Initiativen bekannt. Ein wie auch immer strukturiertes südafrikanisches Kulturinstitut gibt es nicht in Deutschland. Zwar beginnt Deutschland für Künstler aus Afrika und hier auffällig für Künstler aus Südafrika immer interessanter zu werden, diese Künstler sind jedoch meist über ein Stipendium in Deutschland angelangt und begannen während diesen Aufenthalts ihre Zelte aufzuschlagen. Was wegen schwierigen Aufenthaltsbestimmungen nicht einfach ist, dass Künstler aus Südafrika auf eigene, unabhängige Initiative nach Deutschland kommen.

Auf Einladung von Frau Dr. Uschi Eid, der bekanntesten Politikerin mit afrikabezogenem Hintergrund trafen sich vor drei Jahren in Berlin über vierzig Botschaftsvertreter afrikanischer Länder, die auch fleißig die Notwendigkeit kulturellen Engagements in Deutschland guthießen. Über seltene individuelle Umsetzungen hinaus, die meist nur so lange gehen, wie ein persönlich engagierter Botschafter in Deutschland seinen Dienst tut, ist jedoch weiter nichts bekannt.

Ein Land wie Burkina Faso oder die Republik Niger sind kaum in der Lage, eine kulturelle Institution in Deutschland zu unterhalten. Aber Südafrika? Südafrika ist einer der drei größten Abnehmer deutscher Rüstungsgüter. Wir können also unschwer erkennen, dass Geld vorhanden ist. Die Frage ist, für wen oder gegen wen wird hier aufgerüstet? Was macht diese Aufrüstung wichtiger als Kulturarbeit? Ist die Bereitstellung von Milliarden der Weltbank letztlich doch nur ein imperialer westlicher Schachzug, bei dem Südafrika eine kläglich kulturlose Rolle spielt?

Diese Gelder fließen in den politischen und staatlichen Strukturen und werden von Menschen verantwortet, die mit Kunst wenig am Hut haben. Diesen Menschen kulturpolitische Verbesserungen abzutrotzen ist ein schwieriges Unterfangen. Es gibt noch andere Wege und kulturelle Beziehungen müssen nicht immer zwangsläufig über Beamte geregelt werden. Es gibt einen gewissen Automatismus, bei Kulturarbeit nach staatlichen oder politischen Strukturen zu rufen. Ähnlich alten Tagen, bei denen der Klerus eine wichtige Finanzierungsrolle spielte, wird nun von den modernen Steuereintreibern verlangt, einen Teil ihrer Beute als kulturelle Subventionen wieder auszuschütten. Im idealisierten Sinn ist sicher gutzuheißen, dass der Staat als Treuhänder einen Teil seiner Einnahmen wieder reinvestiert und Kunst der Allgemeinheit zugänglich macht. Museen und Kunst im öffentlichen Raum sind sicherlich notwendig. Unangenehm wird es, wenn wie in Deutschland die eingetriebenen Gelder des Steuerzahlers fast ausschließlich dazu benützt werden, die staatlichen Institutionen mit seinen aufgeblähten Belegschaften selbst am Leben zu erhalten. Das Eingangs erwähnte Goethe-Institut ist ein lebendiges Beispiel dafür und eignet sich insofern nur sehr bedingt zur Nachahmung durch Südafrika.

Politische Gremien haben die immanente Tendenz zu glauben, sie hätten als Geldverwalter der Allgemeinheit das Recht zu instrumentalisieren und hätten selbst die Weisheit mit Löffeln gefressen. Gerade bei der Kunst kommt dies stark zum Vorschein. Gönnerhaft werden willfährige Dilettanten auf dem Silbertablett durch die Lande getragen, während kontroverse Positionen oder still arbeitende Meister durch deren staatlich opportune Raster fallen. Sie nehmen also genau nicht den Auftrag wahr, repräsentativ auszusuchen und fördernd zu wirken. Oft genug erscheint der bürokratische Apparat als modernes Raubrittertum.

Hier neue Wege zu beschreiten ist schwierig. Unzählige kleine Initiativen versuchen es. Hier sind denn auch viele aktive Beziehungen entstanden. Ohne zu warten, ob Kulturbeamte aus ihrem Schreibtischsessel aufstehen, gibt es zahlreiche Einzelpersonen und Gruppierungen, die in regem künstlerischen Austausch, meist selbstausbeuterisch, aber hoch motiviert agieren. Man kann hier zwar nicht den Begriff Kulturpolitik verwenden, denn Einzelakteure machen keine Arbeiten die sich in diese Begriffskategorie fassen lassen, im Ganzen gesehen erfüllen aber diese Akteure den Anspruch eines konkreten Austauschs, den staatliche Organisationen nur sehr bedingt erfüllen. Wie schwer der Weg sein kann und wie viel Pioniergeist notwendig ist möchte ich an einem kurzen Beispiel aufzeigen.


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Auf der art Karlsruhe, eine der drei großen deutschen Kunstmessen, zeigten wir vor wenigen Wochen eine Sonderausstellung innerhalb der Messe mit Unterstützung der Daimler Art Collection. Große internationale Namen, die Südafrika zu bieten hat und eine kleine Anzahl aufstrebender Künstler sollten das Publikum neugierig machen. Was auch klappte. Das Interesse und die Neugierde in Deutschland ist groß. Interessant waren für das heutige Thema jedoch zwei andere Faktoren. An der Presse konnte man erkennen, wie niedrig der Wissenstand in Deutschland ist. Da war kaum etwas von Kunst zu lesen aber viel von Tieren und Apartheid. Die Johannesburger Galerie MoMo ging trotz großer vorheriger Bedenken das Risiko ein, neben dieser gut besuchten Ausstellung einen Stand zu mieten und wurde von der Realität eingeholt. Zu fremd waren dem deutschen Publikum letzten Endes die Namen und Neugierde und Kauflust sind doch noch zwei verschiedene Dinge. Verkauft wurde fast nichts. Mit Mut und dem Wille zum Risiko sind solche Wegbereiter wichtig.

Hilfsorganisationen nehme ich bei unserem Thema ausdrücklich aus, da es vielmals geradezu lächerlich wirkt, wenn sich eine deutsche Hilfsindustrie für Südafrika stark macht und versucht für ihre Zwecke Künstler meist umsonst zu rekrutieren. Erstens gibt es auch in Deutschland eine große Anzahl bedürftiger Menschen die dringend Hilfe benötigten und wenn schon Afrika, gibt es wirklich dringlichere Länder. Ich erwähne dies deshalb, weil in Deutschland, um an einen Fördertopf zu kommen, typische Betroffenheitsthemen die Kassen öffnen. Kindersoldaten, Frauenbeschneidung, Brunnenbohrungen oder Aids, um ein paar davon zu nennen. So wichtig solche Themen sind, verfälschen sie bei dauernder Rezeption das Bild Afrikas und das Bild Südafrikas. Es ist das Wesen der Kunst, vielfältige Bilder oder Icons zu fertigen und zu transportieren. Wir sind die Kreativen.

Dieser fast schon seltsam anmutende Hinweis auf etwas, das eigentlich Allen klar sein sollte, ist wichtig. Wichtig, weil es von vielen außerhalb der Kunst gerne mal vergessen wird und der Künstler und seine Vermittler als Exoten dargestellt werden, die Dinge herstellen nach denen sie Niemand gefragt hat und sich dann darüber beklagen würden, dass es ihnen niemand abkauft. So ist es nicht.

In Deutschland setzt die so genannte Kreativindustrie, von der die Kunst ein Teil ist, mehr Geld um, als die gesamte Chemiebranche. Mit 80 Prozent Einzelunternehmen ist sie, gemessen am Umsatz, diejenige Branche, die am meisten real Arbeitende hat, während andere Industrien ihren Gewinn mit Maschinen generieren. Es ist die Kunst, die interpretiert, spiegelt, in Frage stellt, provoziert, ästhetische Maßstäbe setzt, Emotionen bedient und Dinge auch außerhalb ökonomischer Sachzwänge frei von Beeinflussungen darstellt. Keine Kultur kann eine Hochkultur werden, ohne die Kunst und es ist vornehmlich die Kunst, die uns die Größe alter Kulturen in Erinnerung bringt.

Kulturpolitik bedeutet nicht, dass uns von verstaubten Bürokraten Gönnerhaft ein wenig Mittel als Alibi zur Verfügung gestellt werden. Es ist die Kreativindustrie die mit unzähligen kleinen Beträgen über Arbeitende die Steuertöpfe füllt. Kulturpolitik heißt im besten Fall, dass diese von uns eingebrachten Gelder gebündelt werden um damit Projekte für die Allgemeinheit zu realisieren, zu denen eine individuell Schaffender nicht in der Lage ist. Kulturpolitik bedeutet vor dem Hintergrund unseres heutigen Themas auch, Länder die in wirtschaftlichen Beziehungen zueinander stehen zu verbinden und über die Kunst die Eigenheiten und spezifischen Merkmale visualisiert werden und dem interessierten Betrachter dargeboten werden.

Auf der einen Seite darf die Kunst nie ihren Selbstwert aufgeben, sich von kulturpolitischen Strukturen abhängig machen und muss sich auf ihre immanente Stärke und Unabhängigkeit besinnen. Eine Messe wie diese hier gehört zu diesem unabhängigen Selbstverständnis. Auf der anderen Seite gibt es staatlich Bedienstete, die mit Feingefühl eine strukturelle Unterstützung organisieren um Künstlern Plattformen zu ermöglichen, die deren Arbeiten einem breiten Publikum näher bringen.

Mit ein paar konkreten Vorschlägen wie Kulturpolitik Länderübergreifend funktionieren kann, möchte ich zum Ende meine Vortrags kommen. Zuerst einmal müssen Beamte aufhören, sich selbst als Scouts zu begreifen, die "neue" Künstler ausgraben. Sie sind dazu nicht ausgebildet. Dazu in der Lage sind Galeristen, Kritiker und Kunsthistoriker. Mit ihnen muss von staatlicher Seite kooperiert werden. Sie sind es, die mit Künstlern im alltäglichen Kontakt stehen und organisatorische Abläufe und kommerzielle Details im Griff haben. Es muss Künstlern ermöglicht werden, mehr länderübergreifende Ausbildungssituationen in Anspruch nehmen zu können. Künstler müssen viel mehr in Kunst-am-Bau-Projekte eingebunden werden. Bei politischen Delegationen und Staatsbesuchen müssen Künstler oder deren Vermittler ohne Krawattenzwang als Vertreter einer Branche genauso berücksichtigt werden, wie Vertreter technischer und chemischen Industrien. Bei Stadtplanungen müssen Arbeitssituationen von Künstler eingeplant werden. Ganz zuletzt noch einen sehr wichtigen Aspekt. Es müssen auf der praktischen Ebene bürokratische Hürden so abgebaut werden, dass nichtuniversitär ausgerichtete Künstler für Werkaufenthalte in anderen Ländern Aufenthaltsgenehmigungen bekommen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Handwerk, Kunst und Architektur immer eng verflochten waren und bitte auch bleiben sollten.

Mit diesem sehr praktischen Appell möchte ich enden und bedanke mich für Ihr Zuhören. Da wir noch ein paar Minuten zur Verfügung haben, beantworte ich gerne noch einige Fragen.

 

 
 

PS - 31.3.2010

Wie zur Bestätigung meiner Kritik sprach im Rahmen der Messegespräche Klaus Biesenbach, Chefkurator am MoMa in New York. Er wurde eingeladen von Peter Anders, dem Programmleiter des Johannesburger Goethe-Instituts. Grund seines Status wurde Herr Biesenbachs Auftritt sehr gut besucht. Doch leider waren ausnahmslos alle die ihm zuhörten sehr verärgert. Nicht gelangweilt. Verärgert. Herr Biesenbach glänzte durch absolute Unkenntnis der südafrikanischen Situation und erzählte nichts als Stuss. Wieder einmal haben wir die Situation, dass es einigen Vertretern des Kulturbeamtentums wie Peter Anders nur darauf ankommt sich mit großen Namen zu schmücken, ohne auf Kosten, Inhalte und Auswirkungen zu achten.

Nach diesem Vortrag saß drei Tage lang ein Zeitung lesender Mann der gesehen werden wollte im Auto vor meinem Gästehaus in Johannesburg. Vermutlich im Zusammenhang mit einem zeitgleichen Freundschaftsbesuch eines deutschen Marineverbandes in Kapstadt.