Darabi

Peter Herrmann. 7. Mai 2005

Rede zur Eröffnung der Ausstellung Et ils se connurent der Künstlerin

Louzla Darabi

Sehr geehrte Gäste,

nachdem Ihnen in dankenswerter Weise Frau Nasrin Amirsedghi ihre Sicht der Dinge darstellte, die bereits im Vorfeld der Ausstellung mehrfach im Internet zitiert und veröffentlicht wurde, möchte ich Ihr Interesse mit weiteren Hintergrunddetails ergänzen.

Wie Sie aus der Rede anschaulich entnehmen konnten, ging das Gemälde Scene d'amour, das wir aus diesem Grund sehr Zentral in der Ausstellung gehängt haben, vor wenigen Wochen durch alle großen Presseagenturen um die Welt.

Reden

 

In Göteborg im Museum der Weltkulturen nach massiven Protesten Anfang Februar diesen Jahres abgehängt, löste das Bild eine internationale Debatte aus, die sich um die Themen Erotik, Frau und Islam dreht. Die zitierte Koransure, am oberen Rand des Bildes fast unauffällig platziert, in Verbindung mit erotisch-figurativer Darstellung war einigen Gläubigen zu provokant. Mit Drohbriefen und Hasstiraden zugemüllt, entschloss sich die Direktorin des Hauses dem Druck nachzugeben und hoffte, durch Entfernen Ruhe einkehren zu lassen.

Um diesen Schritt einzukreisen, hole ich ein wenig aus.

Was ist eigentlich ein Museum der Weltkulturen? Es ist schon interessant, dies im Vorfeld kurz zu beleuchten bevor ich auf die Arbeiten der Künstlerin zu sprechen komme. Das Museum der Weltkulturen ist im weitesten Sinne die Fortführung eines herkömmlichen Völkerkundemuseums. Viele dieser Häuser versuchen aktuell, mit Änderung der Programminhalte und des Namens, ein schwindendes Publikum zurück zu holen. Lange stellten die meisten dieser Museen ein erhaben langweiliges Programm aus, weil sie die Aufgabe ihrer Häuser ein wenig verwechselten. Statt sich einer Öffentlichkeit zu verpflichten und ihr die Kulturen der Welt näher zu bringen, hockten und hocken verbeamtete Ethnologen auf einem gesicherten Pöstchen, um dort ihre gesamte Laufbahn mit Nacharbeiten zu einer einmal getätigten Feldforschung zu verbringen. Mut ist ein Prädikat, das diesem Berufszweig nicht unterstellt werden kann.

Niemals an Inhalten der Kunst ausgebildet, sehr beschränkte Kenntnisse über Ausstellungsgestaltung, eine vorwiegend zeitlich vergangenheitsbezogene Didaktik, Pädagogik und noch weniger eine Ahnung von modernem Management, ganz zu schweigen von technischen Hintergründen, dümpeln viele dieser Häuser im musealen Neolithikum und jammern vor sich hin in der Hoffnung, damit ihre Zuschüsse und Pensionen zu konservieren. Als erstes Museum in Deutschland hat sich Frankfurt umbenannt. Hamburg firmiert zwar immer noch unter dem Label Völkerkunde, begann aber 1995 im Rahmen des nationalen Diskurses, bekannt als das Marco Polo Syndrom, unter anderem mit dem Stamm der weissen Krieger ein junges Publikum zu begeistern. München fällt seit wenigen Jahren durch ein hervorragendes Programm auf und auch Dresden befindet sich in einem Wechsel.

Die ehemals bekanntesten Museen Deutschlands, Berlin und Stuttgart, bilden heute die Attraktivitätsschlußlichter. Sie sind nicht mehr in der Lage, gegenwartsorientiert spannende afrikanische Themen zu präsentieren. Hätten sie nicht Schulklassen die durch ihre einsamen Hallen gezwungen werden und dadurch die Zählwerke manipulierten, könnten sie eigentlich den Informationsstand im Foyer zu machen und Heizkosten sparen. Kommt eh niemand mehr.

Anders Göteborg. Ein neuer Bau, ein neuer Name, ein neues Konzept. Für die Debütausstellung No Name Fever holte die Direktorin Jette Sandahl die Kuratorin Renée Padt, die neben vielen anderen Stationen auch in der letzten Documenta beschäftigt war und als eine ausgewiesenen Kennerin des Kunstmarktes bezeichnet werden darf. Alleine mit dieser Ausstellung, die mit dem sperrigen Thema Aids das Publikum erreichen will, hat Göteborg im Quartal schon doppelt soviel Besucher wie Stuttgart und Berlin zusammen das ganze Jahr. Bei ihrer Recherche stieß Frau Padt im Internet auf meine Galerie und auf bekannte Künstler wie Chéri Samba, Pascale Marthine Tayou und Ingrid Mwangi. Eher am Rande entdeckte sie, nachdem das Ausstellungskonzept schon lange stand, die erotischen Arbeiten der jungen, damals noch unbekannten Künstlerin Louzla Darabi und brachte sie im letzten Moment unter.

Einige der Anwesenden erinnern sich. Louzla Darabi war letztes Jahr eine der drei Künstlerinnen, mit denen ich verschiedene Strömungen Algeriens im Rahmen des Ausstellungszyklus Künstlerinnen aus Afrika beleuchtete und danach eine von acht afrikanischen Künstlerinnen in Potsdam in der Galerie im Waschhaus, die von mir kuratiert wurde. Wir hatten zwar eine Einzelausstellung im Januar diesen Jahres im Visier, aber was dann folgte, war für uns, trotz einiger Unannehmlichkeiten, ein bizarrer Glücksfall. Bedingt durch die enorme Popularitätssteigerung von Louzla Darabi, verschoben wir die Ausstellung auf jetzt um uns besser vorbereiten zu können.

Nun werden sich einige fragen, wie der Herrmann darauf kommt einen Skandal in dieser für uns noch nie erlebten Größenordnung als Glücksfall zu bezeichnen. In der Presse wurde sehr oft der Vergleich mit Theo van Gogh gezogen, der kurz vorher in Holland von einem fanatischen Moslem ermordet wurde. Ich erhielt dubiose Anrufe und kann die Frage nicht mehr zählen, ob ich denn nicht Angst hätte, diese Ausstellung zu machen. Auf Anraten einiger Bekannter ist diese Ausstellung denn auch bei der Polizei angemeldet und im Publikum befinden sich aus Sicherheitsgründen nicht ausschließlich Kunstinteressierte.

Wie Frau Amirsedghi und Louzla Darabi auf jeweils ihre Art habe auch ich sehr individuelle Gründe einen bestimmten islamischen Einfluss nicht gut zu finden. Ist es bei beiden als Frau aus einem islamischen Land was die Sichtweise bestimmt, ist es bei mir die Sicht eines nichtreligiösen Freigeistes. Hüters von Freiraum.

Von Peter Scholl-Latour beeinflusst ist mir der Gedanke zutiefst zuwider, dass wir hier in Mitteleuropa mit fundamentalistisch-islamischen Missionen konfrontiert sind. Durch einen neuen christlich-fundamentalistisch geprägten Imperialismus Amerikas produziert dieser ein neues Feindbild und provoziert in vielen Länder Hass, der den Zulauf in radikalislamische Gruppierungen zu erhöhen scheint. Ich behaupte, dass dieser Prozess nicht zufällig sondern sehr wohl eiskalt kalkuliert ist. So wie der Kommunismus und der Kapitalismus auf der einen Seite ständig Gegnerschaft betonten, aber auf der anderen Seite die Welt in gütlicher Eintracht gemächlich in ihre Interessensphären aufteilten, wird die Strategie nun mit neuem Feinbild fortgesetzt.

Genauso verwandt wie Kapitalismus und Kommunismus im ökonomischen Sinne sind, genauso verwand ist auf der Grundlage des Monotheismus der Islam, die jüdische Religion und das Christentum. Es ist vor diesem Hintergrund interessant, dass es der nichtreligiöse Kommunismus ist, der als scheinbarer Verlierer zuerst aus der Geschichte schwindet.

Dass es bei den amerikanischen Interessen um ethische Werte der Religion geht, glaubt vielleicht ein alkoholgeschädigter Potentat in Texas. Der Großteil der Weltbevölkerung allerdings weiss, es geht um Medien und Öl. Handelsherrschaft. Bush und Berlusconi versus Mullahs und Ayatollahs. Rom versus Mekka. Dazwischen zündelt Jerusalem.

Ein wiedererstarken von Religion als politische Macht ist etwas ganz und gar Ungewünschtes. So wie auf der einen Seite der Islam beleidigt und provoziert wird und dadurch einen sehr unerwarteten medialen Popularitätsschub erhält, solidarisieren sich auf der christlichen Seite die neuen Kreuzrittermentalitäten, die sich ihrerseits von den selbst provozierten Tiraden und den daraus resultierenden Reaktionen in ihrem Tun bestätigt fühlen. Ein gegenseitiges Hochschaukeln.

Es dürfte bezeichnenderweise noch niemals in der Geschichte der Menschheit eine solch unfaßbar gigantische Inthronisation eines Sonnenkönigs stattgefunden haben, wie soeben die anmaßende Inthronisation des Stellvertreter Gottes auf Erden in Rom. Papa Ratzi predigt Frieden mit der Welt, der weltliche Rambo-Potentat bringt den Frieden und, ganz wichtig, die Freiheit. Wer sie nicht möchte, wird auf die Achse des Bösen platziert und als Terrorist umgelegt. Medienwirksam. Feuer und Schwert ist nicht nur die Grundsymbolik des Islam.

Genau darum freute mich der Skandal um Louzla Darabi. Sie unterläuft die neue Tendenz zum reaktionären Dogma neuer Heilsversprechung. Sie definiert aus ihrer eigenen Anspruchshaltung heraus die zeitgemäße Rolle der Frau. Sie schafft es, im Zeitalter der Bildüberflutung ein Gemälde als Ikone zu setzen und, - wie sie hier in der Ausstellung sehen, hat sie nicht nur eine Arbeit mit einer gewissen Zufälligkeit sperrig in Göteborg platziert, sondern sie hat noch mehr bissiges, ironisches, sarkastisches und rätselhaftes auf Lager.

Und sie tut noch etwas Unbequemes. Das pauschale westliche Bild der unterdrückten Frau im Islam stimmt trotz aller Widrigkeiten denn auch nicht als Stereotype. Abgesehen von der Unterschiedlichkeit einzelner Länder mit islamischer Mehrheitsreligion deren Verschiedenheit ähnlich dem christlichen Glauben, dessen Bandbreite ja auch vom ekstatisch-verzückten Mittelmeerkatholizismus bis zum calvinistisch trockenen Pietkong reicht, sich in viele Facetten verzweigt. Ein aus hiesigen Quellen gespeistes Postulat ist brüchig und obsolet. Nämlich das der ins Haus gesperrten Muslumin.

Es sind die letzten Jahre so viele Künstlerinnen aus islamischen Ländern auf dem internationalen Markt aufgetaucht, dass das traditionelle Bild heute ad acta gelegt werden kann. Schon einmal hatte ich erzählt, dass bei meiner letztjährigen Recherche nach Künstlerinnen Überraschungen aufgetaucht sind wie im sudanesischen Karthoum, dem vermeintlichen Hort des Fundamentalismus, dem Epizentrum patriarchaler Machtbesessenheit, Angelpunkt der Achse des Bösen - aber - eine Künstlerinnenvereinigung mit 200 Mitgliedern. Iran, Türkei, Ägypten, Tunesien, Algerien und Marokko. Alles Länder mit durchaus ernst zu nehmenden Repressionsmaschinerien, haben dennoch eine Vielzahl von bekannten Frauen im Kunstgetriebe gestellt.

Ob mit Film, Fotographie oder Malerei, - das Figurative in der Darstellung ist, trotz alter entgegengesetzter Koranauslegung, natürlicher Bestandteil der Arbeit von fast allen mir bekannten Künstlerinnen. Die figurative Darstellung im Zusammenhang mit der Koransure war der Tenor des Göteborger Protests. Deshalb möchte ich hier einmal provokant in den Raum hineinfabulieren. Ich habe zwar kein Recherche darüber gemacht aber ich vermute, alle diese Protestierer haben eine Foto- oder Videokamera. Weshalb in der heutigen Zeit figürliche Darstellung in der Kunst verboten, die Kamera für den Hausgebrauch aber erlaubt sein soll, entzieht sich meiner Logik.

Sie kann nur wieder mit der Unumstößlichkeit des Dogmas erklärt werden. Damit diese Form des dogmatischen Denkens keine Überhand bekommt - ist diese Ausstellung.

Freuen Sie sich and den provozierenden Arbeiten von Louzla Darabi und ihrem aktuell fertig gestellten Video Appartements, den sie in Zusammenarbeit mit der Tänzerin und Choreografin Brigitte Dumez produzierte, bei der ich mich für ihr Kommen bedanken möchte.

Danke noch einmal Frau Nasrin Amirsedghi (Publizistin, Islamwissenschaftlerin und Vorsitzende von DIA, Verein für Kultur und Migration e. V., Mainz) Danke allen Helfern dieser Ausstellung und an das Publikum. Für ihr Kommen, ihr Interesse und dafür, uns Ihr Ohr geliehen zu haben.

Darabi