Grußwort Dr. Uschi Eid

Eröffnung des 7. Afrika-Festivals Potsdam

14.07.2006, 20.00 Uhr, Kunstraum Potsdam

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ein Blick auf die Landkarte, in die Geschichts- und Erdkundebücher, ins Internet; ein Besuch in Museen, Galerien und Musikkonzerten zeigt uns: Afrika, unser Nachbarkontinent, von dem uns nur 16 km trennen, fasziniert, mit kulturellem Reichtum, einer Vielfalt von künstlerischen Ausdrucksformen und Traditionen!

Mit weit mehr als 50 Landesgesichtern ist Afrika die Wiege der Menschheit. Der Reichtum an Bodenschätzen sprengt unsere Vorstellungskraft angesichts der Bilder von bitterster Armut. Der Kontinent und seine Menschen haben tiefe Erschütterungen in der Geschichte meistern müssen. Zeugen großer gesellschaftlicher, kultureller und politischer Blüte sind Überreste der Königreiche von Dahomey oder Groß Zimbabwe, um nur 2 zu nennen. Zeugen tiefer Demütigung sind die Sklaveninseln vor der westafrikanischen Küste wie Gorée z.B., die heute Gedenkstätte aber auch Künstlerkolonie ist.

Ich freue mich, heute - hier in Potsdam - mit Ihnen ein Festival eröffnen zu können, das uns einen Blick auf die Vielgestaltigkeit Afrikas erlaubt, auf seine lebendige Kultur und deren Facettenreichtum. Ein Festival, das den Blick von Schreckens- und Krisenmeldungen auf das intellektuelle und kulturelle Potential Afrikas lenkt, dessen dynamische Entwicklung, dessen Drang zur Moderne bei uns oft übersehen wird.

Afrikanerinnen und Afrikaner, ob in ihren Heimatländern oder im Ausland, haben sich auf den Weg gemacht, ihren Kontinent zu verändern. Auch die Reformstrategie der "Neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung" (NEPAD) hat eine neue politische Dynamik auf dem Kontinent entfaltet, die z.B. in den arabischen Staaten ihresgleichen sucht!

Junge afrikanische Intellektuelle, Studentinnen und Studenten, die ich in Bayreuth, in Marburg oder in Frankfurt kennen gelernt habe, sind es müde, immer nur die Schuld der afrikanischen Misere der Sklaverei oder dem Kolonialismus zuzuschreiben. Dies macht Mut, denn sie sind entschlossen, ihr Schicksal und damit das ihrer Heimat in die Hand zu nehmen und das Gesicht ihres Kontinents zu verändern. Das Festival hier in Potsdam ist Ausdruck dieses Geistes und beflügelt ihn. Dafür meinen herzlichen Glückwunsch!

Ein Blick auf aktuelle künstlerische Darbietungen aus Afrika - sei es im Theater, in der bildenden Kunst, im Film oder in der Literatur, zeigt: Die Gegenwartskultur Afrikas ist eine "offene"; eine für Öffnungen und Vermischungen bereite!

Weder afrikanische Vergangenheit noch Gegenwart lassen sich einfach, geradlinig oder frei von Gegenläufigkeiten erzählen. Afrikanische Gegenwartskunst ist Ausdruck des Wagnisses, Traditionelles und Modernes neue Verbindungen eingehen zu lassen, Spannungen und Widersprüchlichkeiten nicht einfach auszuhalten, sondern sie produktiv zu nutzen. Und sie setzt auch unsere Vorstellungen über unseren südlichen Nachbarn, die oft von wohlmeinender Verklärung und Stereotypen geprägt sind, der afrikanischen Wirklichkeit und Aktualitäten aus.

Ein Rundgang auf diesem Festival liefert den Beweis: Kultur und Kunst Afrikas brauchen keine wohlmeinenden Fürsprecher, keine schützenden Gesten. Sie brauchen Menschen, die mit Offenheit sehen und hören und sich dem aussetzen wollen und sich darüber austauschen wollen, was uns afrikanische Kultur bietet: Vielfalt und Differenz, eigenwillige Verfremdung, neue Eigenheiten im selbstbewussten Miteinander von Kultur, Geschichte, Tradition und Medien.

Kunst und Kultur Afrikas brauchen aber ganz besonders auch einen Markt, um die Produkte anzubieten, über sie zu informieren und an den Käufer zu bringen. Entscheidend - auch für die Kulturwirtschaft - sind entsprechende Rahmenbedingungen, in denen Rechtsstaatlichkeit herrscht, Eigentumsrechte akzeptiert werden, Vertragssicherheit herrscht und Unternehmertum sich entfalten kann. Hoffen wir, dass mit dem eingeschlagenen Reformweg auch die Kulturwirtschaft und damit afrikanische Künstlerinnen und Künstler profitieren.

Sehr geehrte Damen und Herren,

heute wird das Afrika-Festival in Potsdam zum 7. Mal eröffnet. Es schreibt also inzwischen seine eigene Geschichte fort, als Ort der Begegnung zwischen Menschen aus allen Ecken dieser Welt, wo Brücken gebaut werden und man voneinander lernt; als Ort, wo aktuelle künstlerische Ausdrucksformen den Blick auf die Kreativität, die Lebendigkeit und Weltläufigkeit afrikanischer Gegenwartskultur lenken. Und als Ort, wo man sich - einander begegnend - mit dem, was Europa und Afrika verbindet, auseinandersetzen kann.

Mit jedem Jahr wachsen nicht nur das Festivalprogramm, die Zahl der teilnehmenden Künstler und die Vielfalt der Präsentationsformen, sondern auch der gute Ruf, den das Festival genießt. Es ist nicht nur - wie man so sagt - für jeden "etwas dabei", es ist mehr als ein gelungener Querschnitt. Es sind darstellende und bildende Künste, Tanz und Theater, Lesungen, Ausstellungen und Konzerte, Filme, Workshops und Vorträge. Alle machen uns die Eigenheiten afrikanischer Kultur mit ihren selbstbewussten Ausgreifungen bewusst und zeichnen ein lebensnahes Bild. Dies verdient nicht nur Anerkennung, sondern auch viele Besucher!

In diesem Sinne wünsche ich - auch im Namen des Bundespräsidenten Horst Köhler, der mir einen Gruß an Sie aufgetragen hat - den Initiatoren und den Künstlern viel Erfolg. Der Bundespräsident wünscht Ihnen allen spannende und anregende Tage der Begegnung, Tage, die den Blick freigeben auf ein dynamisches Afrika, das mit kulturellem Reichtum und einer faszinierenden Kulturgeschichte selbstbewusst und mit Zuversicht in die Zukunft blickt! Afrika also ist zu Gast in Potsdam - zu Gast bei Freunden!

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