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Kolumnen
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von Peter Herrmann, am 17.3.2018 |
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Aktuell
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Bevor der Autor begann für Künstler zu organisieren, kooperierte er Handwerker. Nach einer familiären Ausbildung selbst Künstler, dann Schreiner, Restaurator, Möbeldesigner Alternativbewegungsgruppengründer und darauf folgender Arbeit in Afrika als Innenarchitekt, ist bis heute ein nicht löschbares Interesse an baulichen Abläufen vorhanden. Es geht also Ausnahmsweise mal nicht um die Kunst.
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Den armen Afrikanern helfen und Brunnen bohren
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Kaum ein dämlichere Stereotype hält sich so zäh in der Hilfsindustrie wie Brunnen bohren um Afrika vorwärts zu bringen. Bevor ich also in einer Fotoreportage einer Schachtung darauf eingehe, möchte ein paar allgemeine Worte loswerden.
Auf der einen Seite wird ständig verlangt, man solle Afrika auf Augenhöhe begegnen, was bei einem durchschnittlichen IQ in Togo von 65 allerdings nicht ganz einfach ist. Bevor mir nun irgendwelche Genetiker ins Wort fallen, ganz klar: das hat zuallererst mit der Bildung und Ausbildungssituation zu tun und die ist hundsmiserabel. Außerdem lässt sich visuelles Denken, das in Afrika dominiert und seine Bewohner deshalb mit den meisten Künstlern Europas gemein macht, nicht auf den Parabeln linearen Denkens messen. Das heißt also nicht, dass "die" Afrikaner alle zu dumm wären um ein geschachtetes Loch in den Boden zu bekommen, damit die armen Frauen nicht mehr Kilometerweit laufen müssten und deshalb Hilfe von Abiturienten benötigen.
Wäre es den Frauen einer in der Vergangenheit halbnomadischen Gesellschaft wirklich so wichtig, nicht mehr Wasser auf dem Kopf zu tragen und damit die Vorlage für eines der am meisten abgebildent Motive afrikanischer Bilder zu liefern, würde ihnen schon auch einfallen wie sie ihre Kerls dazu bekommen könnten, Rohre und Pumpen zu verlegen. Es sind halt nun mal keine Deutsche und der Tratsch ohne Männer an der Wasserstelle hat ebenfalls eine wichtige soziale Funtkion. Ein Brunnen im Ort ist übrigens auch nicht ganz so optimal wie sich Viele im ersten Moment einbilden. Dort versickert reichlich viel und vermischt sich mit dem Grundwasser. Eine Wasserstelle mit fließendem Wasser kann da durchaus hygenischer sein.
Doch ich will mich nicht zu sehr in allgemeinen ländlichen Betrachtungen verlieren und zum urbanen Punkt kommen.
In Baguida bei Lomé gibt es ein Bar mit Restaurant, geführt von einer jungen Dame, die gerade von ihrem langjährig befreundeten Franzosen verlassen wurde. Wie sich am Ende herausstellte, wegen massiver Begriffstutzigkeit. Dieser Laden, eigentlich in bester Lage, lief nun absolut gar nicht. Wie sich später herausstellen sollte, tat die Inhaberin so ziemlich alles dafür, dass dies auch so bleibt. Denn ein gewisser Erfolg wäre mit Arbeit verbunden. Doch diese Zeit benötigt man morgens vor dem Spiegel um sich der Schönheit zu widmen, die lange Jahre, an der Seite des Franzosen, der jeden Verlust großzügig ausglich, ein Garant für ein Besucherminimum darstellte.
Die junge Dame rief nun bei einigen Europäern, die den Platz richtig und die Dame prima fanden, jenes Helfersymptom wach, dass Europäer bei der lausigen Arbeitshaltung in Afrika oft bekommen und denken: Krempeln wir mal die Ärmel hoch und unterstützen die arme, mittellose, verlassene, postkolonial Benachteiligte, diskriminierte Frau und bringen mal privilegierten Schwung rein. Geld floss aus mehreren Quellen, aber nicht aus ihren. |
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Im Jahre 2017 fand sich das Lokal der Verlassenen so vor:
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Fotos: Alle Peter Herrmann |
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Verotteter Bambus, ein beknackter Name, ein nicht genutzter Tresen, Küche ein unfassbares Dreckloch, der Lagerbereich fast genauso schmutzig, kein Wasser, keine Toiletten, keine Gäste. Eine noch schöne Besitzerin, die leidlich mit Gewürzbrühwürfel kochen konnte. Völlig unter- oder gar nicht bezahlte Köche kamen und gingen im Monatsrhythmus. Bedienungen auch.
Der Barbereich wurde unter meiner Bauleitung, zu der sich mehrere Freunde des Hauses mithelfend entschlossen, verändert. Eine Betonsockelung für Hocker, den Eingangsbereich und für eine kleine Überdachung für Kleinstveranstaltungen gegossen. Der Lagerraum komplett entrümpelt und ein Dach neu gedeckt. Die Küche komplett umgebaut und ergonomisch funktionierende Türen und Regale eingebaut. Der Strom neu verlegt und Platten gelegt. Licht hätte ich zum Schluss auch noch gern gemacht, aber da ging mir die Guteste schon so auf den Zeiger, dass sie dafür einen anderen Deppen suchen musste. Während meiner Anwesenheit verschliss die Dame vier Europäer. Gerard, Marcel, Michel, Hubert. In solchen Sachen sind Afrikanerinnen, ebenso mal ganz allgemein, höchst versiert und raffiniert. Immer wenn sie merkte, der weisse Mohr hat langsam ausgedient, erfand sie einen kleinen Eklat, dass jener sich Zornentrüstet von dannen trollte.
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Jetzt schmeckt der Schampus richtig gut. Bar ist fertig. |
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Das Wichtigste, und nun kommen wir zum Punkt, war Wasser und ein Klo. Wie soll ein Restaurant ohne erleichternde Schüssel denn auch funktionieren? Die Herren der Schöpfung konnten ja wenigstens in ein Loch hinterm Haus pinkeln und ein paar Togoerinnen, im Stehen und Zielen gut geübt, schafften das auch noch. Doch spätestens ältere einheimische Damen und Europäerinnen kamen einmal und dann nie wieder.
Mit meinem Hausschreiner stellten wir die Handwerker zusammen. In dieser Reportage geht es um Klo und um Ausschachtung als Verbindung zum Brunnenbau. Schlicht, um ein paar wenigen Interessierten eine Arbeitsweise näherzubringen.
Eine Sickergrube wird in Lomé auf sandigem Boden genauso gebaut wie ein Brunnen, den fast jedes Haus hat. Wir fanden, dafür spezialisiert, Thomas den fleißigen Maurer und seine Helfer. |
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Reichlich Kilo. Thomas ist nicht so schön wie Wasser tragende Afrikanerinnen mit schönen Brüsten, weshalb er als Motiv normalerweise nicht gefragt ist. |
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Zement und Sand wurden vor Ort mit Wasser zu Baumaterial verbunden und nach der Trocknung von hinten nach vorne getragen. Also nicht nur Frauen arbeiten in Afrika, wie manche Aktivistinnen in Europa so von sich geben, sondern, siehe da, auch Männer. Der Rekord liegt bei vier Steinen auf dem Kopf, aber da war gerade der Fotoapparat nicht zur Hand.
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Der Boden in Lomé entlang der Küste ist sandig und hat kleine Felsmassive, die bei der Auswahl von Löcher graben berücksichtigt werden müssen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich eine andere Arbeitsmethode als weiter im Norden, wo man bei Lateritboden breit ausgräbt und dann von unten nach oben mauert oder Beton in eine Schalung gießt.
Die Methode im Sand geht von oben nach unten und war mir bis dahin noch neu. Man mauert oben nach und senkt dann ab.
Der Scheisshausstandort war beschlossen und dort, wo vorher ein kleiner Verschlag mit Loch war, wurde nach hinten und seitlich am Gebaude in drei kleine Räumlichkeiten unterteilt. Kloschüssel, Pinkler und Waschgelegenheit. |
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Verschlag mit Loch. Arbeitsbeginn |
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Auf eine Tiefe von etwa einem Meter wurde im Barbereich gegraben und zwei Ringe mit Betonsteinen kreisförmig etwa einen Meter über Grund gemauert. Da Lomé nur im Zentrum eine städtische Wasserversorgung hat, erhält der Toilettenanbau eine solide Betondecke, damit ein Wasserreservoir über einen Brunnen auf der anderen Seite des Hauptgebäudes mit einer Pumpe gefüllt werden kann und so auch bei Stromausfall die Toilette und die Küche Wasser hat.
Dadurch ergibt sich mit einer gewissen Zwangsläufigkeit der Platz für die zwei Sickergruben |
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Der Name des Lokals auf meinen Vorschlag hin geändert, haben die Arbeiten für die Sickergruben begonnen. Um sechs Uhr in der Frühe wird die Kühle ausgenutzt. Dieudonné der Schreiner kontrolliert die Arbeiter. Rechts ein Maurerhelfer. |
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Die Tiefe läßt sich auf diese Art variabel gestalten. Eine Sickergrube muss nicht so tief nach unten. Vier Meter sollten genügen. Für einen Brunnen muss man in Baguida je nach Lage 5 bis 12 Meter graben um in den Grundwasserbereich zu gelangen. Das Wasser, früher von sehr guter Qualität aus den Bergen um Kpalimé kommend, lässt merklich nach. Sickergruben, Autowerkstätten, Industrieabwässer, Tagesabfälle und Düngungen machen den früheren Reichtum zunichte.
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Heute kann man das Grundwasser nur noch für waschen und spülen verwenden. Trinkwasser wird in Halbliterbeutelchen verkauft und nach Gebrauch egal wo man geht und steht weggeworfen. Lomé ist eine total verdreckte Stadt, von Plastik zugemüllt. Abfälle wehen im Wind durch die Pisten.
Bevor mit dem Absenken der Mauer begonnen wird, muss die Innenwand verputzt werden. |
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Vorbereitungen zum Verputzen und Absenken |
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Wie bei einem Brunnen auch, wird die Innenwand aus hygienischen und Gründen der Haltbarkeit verputzt bevor dann abgesenkt wird. Dann beginnt ein heikler Arbeitsprozess. Das Abgraben und versenken der Rundmauer
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Diese Arbeit ist gefährlicher, als sie auf den Fotos aussieht. Das Abgraben muss mit großer Sorgfalt rundrum gemacht werden, damit sich die Mauer gleichmäßig absenken wird.
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Das Risoko besteht darin, dass der Aussendruck nicht überall derselbe ist, die Mauer birst, den oberen Arbeiter zu Fall bringt und den unteren mit Betonsteinen begräbt. Trotzdem wird gelacht und gesungen, was sich ebenfalls auf den Fotos leider nicht darstellen lässt.
Wenn die Sonne steigt, hat es der untere zumindest von den Temperaturen her einfacher.
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Die Mauer senkt sich. In kleinen Schritten von 20 cm. Unten gräbt der Maurer kreisförmig ab. Zuerst mit der Schaufel das grobe, dann mit der Kelle in kleinen Dosen unter der Mauer. Irgendwann kommt dann ein sattes Geräusch, das ensteht, wenn 12 qm Mauerfläche mit enormem Druck von Sand von aussen nach unten sackt.
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Die erste Grube ist fast unten |
Es folgt die zweite |
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Ein Brunnen steht etwa ein Meter nach oben, während die Sickergruben etwa 20 cm unter die Oberfläche gesenkt werden.
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Sandkasten für Erwachsene |
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Noch wenige Zentimeter, dann kommt der Klempner ins Spiel. Während die Sickergruben von den Helfern tiefergelegt wurden, mauerte Thomas die Toilette. Der Klempner legte nun die Leitungen vom Klo zur ersten Sickergrube. Es wurde zwischen den beiden Gruben noch ein Kasten betoniert, den man ebenfalls von oben öffnen kann, sollte mal etwas verstopft sein.
Toiletten sind ein etwas weniger erbauliches Thema als Brunnen. Ich schätze das Thema aber als ungleich wichtiger ein, auch wenn man weniger darüber redet. Ob die deutschen Geisteswissenschaftlerinnen, die Afrika ständig dekolonisieren wollen und heftig daran herumstreiten wie man nun die Afrikanerinnen und Afrikaner anreden soll, sich auch darüber Gedanken machen, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass die Kunsthistorikerinnen und Afrikanistinnen mit Vorliebe in Länder gehen, die eine europäische Scheisshaussituation bieten. Wobei schon nach Südafrika der Run auf Nummer zwei Nigeria merklich nachlässt, was ganz sicher mit Stromausfall und Wasserversorgung zu tun hat. In Marrakech auf der Messe lässt es sich sicherlich gut kacken, weil das ja eigentlich, so ganz eigentlich, noch Europa ist. Man verlangt zwar vom bösen weißen Mann ein Verzicht auf Privilegien, geht aber selbst nur dahin, wo die Kloschüssel sauber ist.
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Die Abdeckungen werden vorbereitet |
und gegossen |
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Die gegossenen Deckel enthalten noch einmal einen abnehmbaren, kleineren Deckel. Sollte der Laden, wider Erwarten, doch einmal gut gehen, muss irgendwann die erste Grube geleert werden. Dazu gibt es Lastkraftwagen aus Deutschland. Die zweite Grube ist ein Überlaufbecken für Wasser. Hat der Klempner nun die Rohre gelegt, kann Sand drüber.
Währendessen wurde der Bereich hinter dem kleinen Hauptgebäude verändert. Durch den rückwärtigen kleinen Toilettenraum veränderte sich der Grundriss. Ein Boden gelegt, die neu verlegten Rohre an die Zisterne dazu genützt, ein Abspülbecken zu installieren, nachdem der Autor in der Vorbereitungsphase neben einen Eimer mit fettiger Spülbrühe kotzen musste, in dem eine Eidechse schwimmend um ihr Leben kämpfte. Es stank erbärmlich und Tausende von Fliegen fühlten sich zuhause.
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Vorher |
Nachher |
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Die Vorstellungen von Hygiene sind etwas anders als jene von Alemanen. Ist die Pflege des eigenen Körpers unter Afrikanern vermutlich aufwendiger als in Deutschland, verschiebt sich das im Umfeld sehr zu ungunsten der Südisten. Ein Zusammenhang zur Sterblichkeitsrate dürfte in engem Zusammenhang mit Klo und Küche stehen, weshalb dies vermutlich mit Geburtenfreudigkeit kompensiert wird.
Der Gewinn durch eine kleine Pumpe, die gewährt, dass die oben sichbare Wassertonne ständig gefüllt ist und sauberes Spülwasser garantiert, dürfte einige Gäste vor Durchfallerkrankungen schützen.
Nur ein kleiner Ausschnitt. Der Barbereich, die Küche, der Gastraum, Vorgarten und Magazin waren nicht Gegenstand dieser kurzen Betrachtung. Es sollte zeigen, warum Deutschland besser beraten wäre, etwas weniger Hafendiebe ins eigene Land zu lassen, dafür mehr Maurer, Schreiner und Klempner aus Afrika, die wegen konkreten Ausbildungsbedürfnissen nach Deutschland reisen könnten und für die neu entstehenden urbanen Entwicklungen ihrer Heimatländer gewappnet sind. Können sie aber nicht, weil sie für einen Tagessatz von 6 Euro nicht in drei Leben sparen können um zu reisen.
Im Magazin standen drei riesige Kühschränke. Kaputt und älteren Baujahrs. Nicht mehr nutzbar. Eine riesige Kühltruhe, deren Motor infernalischen Lärm produzierte, die nicht mehr richtig schloss und mit hundertprozentiger Sicherheit über Stromkosten die kleinen Gewinne auffraß.
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Für Stehpinkler |
Damenparadies |
Saubere Flossen |
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Es fällt mir schwer, mich noch um Kunst zu kümmern. Es fehlen jegliche Voraussetzungen für deren intellektuellen Gewinn. Gemeinsam mit hiesigen Künstlern vor dem Centre Culturel Français oder dem Goethe-Institut Schlange zu stehen um nur noch mit den richtigen Themen und Ausdrucksweisen ein Fördergeld zu bekommen, hat mit meiner Auffassung von Kunst nichts zu tun. Deren ganze Identitätsfindung, postkoloniale Phrasendrescherei und Sternchensetzungen die niemand braucht, gehen im Porzellan des mittleren Fotos unbemerkt in die Sickergrube. Die wirkliche Kunst ist im Alltag nichtkommerziel verborgen.
Alles schön gestrichen, noch eine Bambuswand geschenkt, ein paar Betonplatten in den Sand verlegt, einen Platz für Mülleimer geschaffen, Sand ist über den Gruben.
Und mal wieder Gutes für Afrika getan. Wie üblich war nichts verdient.
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So macht der Gang zum Klo nun Freude |
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Kolumnen
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