Kolumnen
Galerie Peter Herrmann
 

2001. Kolumne

 

4 Monate in Berlin. Gedanken:

Eine Hoffnung bei meinem Wechsel nach Berlin hat sich noch nicht erfüllt. Die afrikanischen Botschaften sind noch nicht so richtig in Berlin. Ein Umzug gestaltet sich für manche schwierig. Es hapert schwer an den Finanzen.

Ich hatte mir erhofft, dort Ausstellungen zu gestalten oder eine repäsentative Ausstattung der Botschaftsräume anzubieten. Was aber noch wichtiger gewesen wäre, daß afrikanische Künstler durch ihre Ländervertretungen unterstützt werden.


 

Daß es auch für afrikanische Botschaften dringlich wird, sich um kulturelle Belange zu kümmern, möchte ich an einem Beispiel erläutern.

Über die Stuttgarter Firma Daimler-Chrysler gefördert, engagierte sich die südafrikanische Vertretung stark um die Präsentation und Vermittlung ihrer Künstler. Promt verlieh Daimler dem Südafrikaner Kay Hassan die wohldotierte Auszeichnung, den Daimler-Chrysler Award.

In der 7. Triennale der Kleinplastik 1998 in Stuttgart waren von 40 vertretenen Afrikanern in der Ausstellung "Europa-Afrika" zunächst "nur" 12 aus Südafrika. Bei Okwui Enwezors "The Short Century", opulent im Martin-Gropius-Bau präsentiert, stammen sogar mehr als ein Drittel der teilnehmenden Künstler von dort.

Mit dem Titel angetreten, "Unabhängigkeits- und Freiheitsbewegungen in Afrika von 1954-1994" zu zeigen, ging der Inhalt auch wegen anglophonen Übergewichts am Thema ein Stück vorbei. Die ganze Gruppierung um Okwui Enwezor und seine Beikuratoren leben in den Vereinigten Staaten oder London. Über die Johannesburg Biennale bekannt geworden in Südafrika, stammen sie, wenn aus Afrika, dann aus Nigeria. Alles englischsprachige Länder.

Um den Kritikpunkt zu konkretisieren ein paar Zahlen: Von 63 beteiligten Künstlern im Gropius-Bau sind gerade mal 7 aus den Ländern mit Lingua Franca französisch und davon müssen in internen Kreisen drei schon mit dem Status kämpfen, überhaupt Künstler zu sein. Gerade mal 8 der beteiligten Artisten sind Frauen und streng genommen nur aus drei Zentren. Nicht immer so richtig afrikanisch, aber "englisch". London, Kairo und Johannesburg.

Warum ich dies anspreche und für wichtig in der Betonung halte, möchte ich Ihnen an einem weiteren Aspekt konkretisieren, der bei der Entwicklung hin zur Documenta beachtet werden sollte. Nach Apartheit ist das zweite dominante Thema Kolonisation. Damit werden zwei Themenblöcke erneut hervorgehoben, die in Deutschland und in anderen europäischen Ländern bereits zur Genüge abgehandelt, zum Teil von Geschichte wurden. Viele andere aktuelle Betrachtungen sind für eine gegenseitige Befruchtung relevanter.

Kommt nun die erneute Themenbelegung aus dem Land der Political Correctness, besteht latent die Gefahr, diese Themen reaktionär im bereits überwunden geglaubten Muster der Betroffenheitsgesellschaft zu wiederholen. Wir riskieren bei einer Amerikanisierung eine Veramung der Inhalte und werden zukünftig wieder mit unnötigen Moralismen konfrontiert, die wiederkehrend auf der Grundlage eines hypothetisch Schuldigen agieren. Afrika und Europa haben heute andere Befindlichkeiten, die gegenseitig artikuliert werden wollen. Entsprechend sollte auch die Öffentlichkeit mit der Wahl der Themen berücksichtigt werden.

Diese Ausstellung geht nach Amerika und kann eigentlich auch nur dorthin. In den meisten europäischen und ebenso in den meisten afrikanischen Ländern wird diese Ausstellung nicht gerne gesehen werden. Die Einseitigkeit und der damit verbundene Interessenhintergrund ist zu offensichtlich. Die Documenta-Verantwortlichen in Kassel, die sich mit den Machern von "The Short Century" überschneiden, sollten auf eine breitere Ausrichtung achten, die Afrika aktuell in Verbindung mit Europa bringt. Bei der kommenden Documenta ein ernst zu nehmender Blickpunkt. Ein Betrachten, gewissermaßen durch eine getönte amerikanische Brille, ist für eine verständnisvolle Annäherung hinderlich.

Frisch in Berlin angekommen wurde ich mit der Initiative eines Händlers alter afrikanischer Kunst bekanntgemacht. Er schlug dem ansässigen Völkerkundemuseum den schon bis ins Detail ausgearbeiteten Plan einer kleinen aber feinen Ethnograficamesse vor, für die bereits schon Zusagen international renommierter Galerien vorlagen.

Um eine homogene Auswahlkommission zu gewährleisten, sollten die jeweiligen Experten des Museums in eine Jury eingebettet werden. Entsprechende Räumlichkeiten in Verbindung mit dem Dahlemer Museum wären vorhanden. Leider scheiterte der erste Anlauf an mangelndem Willen der Museumsvertreter.

Der Plan als solcher hat mich sofort interessiert. Sollte in Deutschland je wieder ein relevanter Markt an alter afrikanischer Kunst entstehen, können solche Pojekte eine sehr belebende Wirkung haben. Dafür ist eine wichtige Grundlage die Annäherung von Sammlern und Händlern auf der einen Seite, der Museen auf der anderen. Vordergründig argumentiert war die Ablehnung begründet wegen der zu ausgeprägten Kommerzialität des Anliegens. Dies steht allerdings in eigentümlichen Widerspruch zu den abgehaltenen Märkten der Völker.

Um eine Veränderung zu bewirken müssen wir zunächst eine Befindlichkeit des ethnologischen Beamten verstehen. Beim Verkauf von Kunsthandwerk in den Räumen des Museums sind die Wissenschaftler nicht unmittelbar mit ihrem spezialisierten Thema konfrontiert. Dadurch kann er Distanz halten und vor sich selbst konfliktlos den Berufsethos Nicht Käuflich aufrecht erhalten. Er hat Bedenken gegnüber dem auf Qualität spezialisierten Fachhandel, weil er hier Verquickungen vermeiden möchte, die seiner Karriere oder einer wissenschaftlichen Arbeit schaden könnten.

Diese sehr verständliche Haltung enwickelt allerdings eine negative Erscheinungsform bei der Ergänzung des Museuminventars. Hier tangieren die jeweiligen Afrikaabteilungen durch Einkauf zwar den Handel, ohne jedoch mit den qualifizierten Fachgalerien in kontinuierlicher Auseinandersetzung zu stehen.

Entsprechend ist das berechtigte Lamento des Handels, sich unter dieser Verweigerungshaltung nicht genügend entwickeln zu können.

Vor diesem Hintergrund war es bei der Eröffnung der jetzigen Ausstellung eine besondere Freude, Herrn Koloß, den Leiter der Afrika-Abteilung des Berliner Museums für Völkerkunde, begrüßen zu dürfen.

Eine weitere Option für institutionelle Kuratoren und Museumsleute ist die steigerungsfähige Einbeziehung von Galeristen in Konzeptionen im Sinne freier Projektmanager. Die Galerien verfügen meist über ein gutes logistisches Netz, das im harten Wind des Marktes kostengünstig und effektiv angelegt ist. Kuratorische Arbeit ist ständiges Tagesgeschäft. Entsprechend ist auch die Fülle an Erfahrung der zu beachtenden Details.

Als gut gelungenes Beispiel kann die zeitgleich stattfindende Ausstellung mit Laura Anderson Barbata in der Landesbank Baden-Württemberg genannt werden. Für alle Beteiligten ein großer Erfolg - und sehr effektiv gerechnet.

Um bei meinen Betrachtungen zu guter Letzt die Politik zu streifen, möchte ich gerne zitieren:

Der scheidende Intendant des Berliner Philharmonischen Orchesters, Herr Weingarten, sagt in einem Interview des Berliner Tagesspiegels auf die Frage "Wollen die Politiker überhaupt den Kulturstandort Berlin? Ist ihnen der Wirschaftsstandort nicht viel wichtiger?":

"Das wäre ein Riesenfehler. Das Gros der Spitzenmanager ist kulturinteressierter als die meisten Politiker - weil sie erkannt haben, dass Unternehmensführung etwas zu tun hat mit der Anbindung an die Kultur eines Ortes."

Wir hoffen.

Peter Herrmann, im August 2001

 

PS:
Gerade mal zwei Tage ist meine obige Kolumne im Netz, wird mein Zahlenspiel zur Visualisierung von Hintergrundsinteressen von der Kunstzeitung, Ausgabe August, getoppt.

Unter der Überschrift "Visuelles Ereignis - Documenta 11: Die ersten Namen - ohne Gewähr" sind:

von 10 genannten Afrikanern 6 aus Südafrika, 2 aus frankophonen Ländern,

von 6 Südafrikanern sind 5 weisser Hautfarbe,

von insgesamt 10 Afrikanern sind 6 weisser Hautfarbe

 

...man kann nicht alles verstehen im Leben.

 

Lesen sie auch zu "The Short Century":

Kein Interesse an der Negerplastik. Okwui Enwezor präsentiert in München die Kultur des nachkolonialen Afrikas.
Von Sabine Vogel in der Berliner Zeitung.

 

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