Ethnologie versus Kunsthistorik aus der Sicht des Kunstvermittlers.
Wenn im Gefolge weltreisender Politiker eine Gruppe von Wirtschaftsvertretern zur Mehrung unseres bundesrepublikanischen Wohlstandes auf diplomatischen Empfängen auftaucht, fehlt meist eine ganzes Berufssegment. Es gibt Veröffentlichungen, in denen der expandierenden Kreativindustrie 58 Milliarden Jahresumsatz zugeschrieben werden. Umsätze mit Afrika spielen sich darin im Promillebereich ab. Kunst gehört als zentraler Teil dieser Branche dazu.
Diesen Umstand hat Bundespräsident Köhler vielleicht vor Augen, wenn er an seine Afrikapolitik denkt. Er richtete vergangenes Jahr an sechs Experten die Frage, wie sich die kulturelle Arbeit mit afrikanischen Ländern verbessern ließe. Als musisch tätiger Privatmensch und als weitblickender Banker sieht Herr Köhler im Verhältnis zu Afrika immateriellen und materiellen Nutzen vermutlich gleichermaßen.
Wenn nun also in den repräsentativ-parlamentarischen Reisegruppen keine Vertreter der Kunst dabei sind, gleichzeitig aber der Umgang mit Kunst im eigenen wirtschaftsregionalen Umfeld nutzbringend funktioniert, warum geht es dann nicht bezogen auf Afrika?
Hat dies etwas mit Ethnologie zu tun, die nicht zur Kreativindustrie gehört? Als Wissenschaft gehört die Ethnologie natürlich so wenig zu dieser Branche wie es die Kunsthistorik tut. Interessant ist dabei nur, wie gut die jeweiligen Verbindungen dieser Disziplinen zum Markt sind. Während ein Markt für alte und neue Kunst aus Europa und Asien in Deutschland als eine wichtige Drehscheibe mit allen Vernetzungen trefflich blüht, ist der Markt mit hochwertiger alter Kunst aus Afrika in Deutschland fast vollkommen am Boden. Der Grund dafür ist in der notorischen Kooperationsverweigerung der Ethnologen zu finden. Im Bereich zeitgenössischer Kunst aus Afrika treten sie mit derselben Eigenart als Entwicklungsblockierer in Erscheinung.
Im so genannten transatlantischen Verhältnis der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, in dem Afrika und seine Diaspora, auch am Atlantik liegend, keine nennenswerte Rolle spielte, war Austausch von Kultur extrem bedeutend. Aber sie ist veraltet in ihrer Struktur der Eingleisigkeit. Ein Kunstmarkt und künstlerischer Austausch funktioniert weltweit nicht mehr allein auf der Achse Mitteleuropa und Nordamerika. Asien und Südamerika agieren immer selbstbewußter - und wer an China, Indien, Korea und einige arabische Länder denkt, denkt auch an enorme Umsatzzahlen eines dynamischen Kunstmarktes.
Setzt man voraus, dass etwas verbesserungswürdig ist, muss man handeln und Strukturen verändern, um dann zu schauen, was auf diesem Acker an Neuem wächst. Ein Vorschlag könnte in provokativer Kürze heißen: Nehmen wir der Ethnologie den afrikanischen Kunstbegriff und verankern ihn in der Kunstgeschichte, die ihrerseits angehalten wird, Forschung und Praxis kooperativ und partnerschaftlich anzugehen. Afrikanische Kunstwerke kommen in Museen, die für Kunst gebaut sind. Afrikanische Künstler und Wissenschaftler sind von Beginn Teil der Planung und nicht wie bisher ethnologischer Gegenstand. Mit derzeitigen Entwicklungen der Museumskultur in Afrika wird partnerschaftlich kooperiert – so wie es viele andere europäische Länder tun.
Ein solcher Vorschlag rührt aus Erfahrungen im praktischen Ausstellungsalltag. Zu sehr ist die Ethnologie als Wissenschaft in den Augen vieler Afrikaner belastet als Vorhut und Komplize des europäischen Kolonialismus und Imperialismus. Der im abgelegenen Dorf noch impertinente, nicht nachvollziehbar Fragen stellende Forscher, dessen Tropenhelm tragende Karikatur im afrikanischen Kochtopf landete, ist, zu recht oder zu unrecht, im kollektiven Gedächtnis großer Teile Afrikas präsent.
Im Rückblick der letzten fünf Jahrzehnte ist es erschreckend zu sehen, wen und was die Ethnologie in ihrem mangelnden Kunstverständnis in Afrika ausgegraben hat und welche Ansammlung von Gebasteltem sie dem hiesigen Publikum vorführte. Tierbilder und mystische Wesen dominieren, Farbigkeit war ausreichendes Kriterium von Zuordnung und die fragwürdige Begrifflichkeit mit der sie die alte, so genannten primitive Kunst zu interpretieren suchte, verwandelte sich fast nahtlos und unwidersprochen hin zur contemporären Naivität. Wie dieses primitiv-naive Afrikabild das Publikum beeinflußte, braucht kaum weiter ausgeführt zu werden. Wild durcheinandergerührt wurde Gebrauchsgrafik, Kunsthandwerk und exotischer Nippes zur Kunst erhoben. – sehr zum Schaden der Vermittlung afrikanischer Kunst und des kleinen Pflänzleins Sammlernachfrage.
Die Deutlichkeit mit der ich dieses Bild vom Umgang mit zeitgenössischer Kunst male, trifft in dieser Pauschalisierung auch auf alte Kunst aus Afrika zu. Sie stellt sich faktisch anders dar, da alte Kunst anonymisiert wurde und bis heute als solche behandelt wird, obwohl lebende Künstler nachvollziehbar als ihre Schöpfer auszumachen sind. Es waren die Ethnologen, die bis Ende der 1980er diesen Objekten noch den Kunststatus versagten, weil die Objekte aus religiösem Kontext kämen. Man versuche sich vorzustellen, welche wissenschaftlichen Arbeiten Ethnologen über Albrecht Dürer, Lucas Cranach oder Tilman Riemenschneider geschrieben hätten. Wäre auch ihnen der Kunstbegriff abgesprochen worden, nur weil der Klerus als Auftragsgeber fungierte?
Als die meisten Völkerkundemuseen noch Institutionen waren, die um ihr Überleben kämpfen mussten, nahmen sie gerne Schenkungen von Geschäftsleuten entgegen und handelten oder tauschten überzählige Stücke. Heute sind die Museen staatlich und die Ethnologen verbeamtet. Bestandshüter von Artefakten meist aus kolonialer und vorkolonialer Zeit. Heutigen landesspezifischen Dynamismen von Traditionen in Afrika verschlossen, versteckt die Ethnologie alte Schätze und lässt sie verstauben, hat eine marginale Ausstellungstätigkeit und pflegt durchaus noch koloniale Ideologien, mit der sie großen Schaden bei der Vermittlung anrichten.
Gut, man könnte sagen, die Völkerkundemuseen haben Wertvolles vor dem Vergessen gerettet und man könnte den Spieß auch umdrehen und fragen: Wo war das Interesse von Seiten der Kunsthistorik? Bis heute findet ein Student nur sehr schwer Materialen zu afrikanischer Kunst in deren Bibliotheken. Das derzeitig große Interesse hiesiger Studenten hat mit dem Auftauchen interessanter Künstler aus Afrika zu tun, aber nicht mit Anregungen seitens der kunsthistorischen Bildungsträger und nichts mit der afrikanischen Vergangenheit die in Völkerkundemuseen gezeigt wird.
Die Alterstruktur der Sammler traditioneller Kunst aus Afrika zeigt eindeutig, dass das Thema keine Attraktivität mehr auf jüngere Menschen hat. Auch die Besucherzahlen fast aller völkerkundlichen Museen – zieht man Schulklassen ab, die nicht freiwillig dort hin gehen – können nur für einen die Einsamkeit Suchenden wünschenswert sein.
Entgegen vielem anderslautenden Jammern, das aus Museen dringt, freut sich ein hiesiges Publikum auf gehaltvolle Beiträge aus Afrika jenseits eines „Marktes der Völker“ und ich glaube fest, dass das Angebot geringer ist als die Nachfrage. Diese Nachfragebefriedigung wird von kleinsten Agenturen gestemmt, die zu den teuren Kosten der Vororganisation noch solchen Unfug wie Ausländerbesteuerung in der Musik oder Zollbestimmungen in der bildenden Kunst als Knüppel zwischen die Beine bekommen. Gema, VG Bild Kunst und Künstlersozialkasse versuchen sich von den Brosamen noch einen Teil zu holen und tragen zur schweren Last einer rentablen Finanzierung bei. Die meisten Protagonisten des Kulturaustauschs arbeiten mit abenteuerlich bescheidenen Mitteln und fühlen sich als gerupfte Hüter eines winzigen Flämmleins. Sie agieren im Schatten von sporadischen institutionellen Großveranstaltungen, bei denen in schöner Regelmäßigkeit die lokal vorhandenen Infrastrukturen ignoriert werden.
In Ermangelung von Kenntnissen des Marktes werden oft genug nicht qualifizierte Persönlichkeiten eingebunden, sondern ein paar Tage vor Veranstaltungsbeginn gerade da Seiende noch schnell als Aushängeschilder eingebaut, weil sie die passende Hautfarbe haben. Ansonsten fließen zu den exorbitanten laufenden Kosten der Museen noch zusätzliche Fördergelder aus Steuertöpfen in beantragte Projekte, die für die wenigen Besucher teurer sein dürften als die Subventionen der Opernhäuser. Trotzdem hört man aus allen Museen, sie hätten kein Geld. Ergo keine Kooperationsmöglichkeit.
Die Fragestellung nach Verbesserung sollte nicht benutzt werden, konventionell und schlicht mehr Geld von wem auch immer zu fordern. Mit der Veränderung hin zur Kunstgeschichte besitzt ein kleiner Teil der Kreativindustrie, mit der Kunst als Bindeglied, die Möglichkeit zu expandieren. Durch neue inhaltliche Zuarbeit der Wissenschaft wachsen kreative Felder, die über Kunst auf Architektur und Handwerk nachhaltige Wirkungen haben werden. Die Hoffnung wächst, dass dann Gelder auch wieder aus den institutionellen Inzuchtzirkulationen herauskommen.
Dies ist nun eine Sprache, die Politiker und Banker hoffentlich gerne hören. Das magische Wachstum. Wertschöpfung. Innenpolitisch zeigt sich der Politiker gerne vor einem teuren Gemälde und ein Unternehmer untermalt seine Geschäftskontakte mit Jazzmusik. Außenpolitisch dominiert jedoch die Militärparade als Kulisse und die Freundschaft beteuernd, wird dazu ein Marsch geblasen. Was wollen wir dadurch eigentlich mitteilen?
Wir, die Kunst, setzen Images und Logos, platzieren Bilder kontrapunktisch zur Massenwerbung, setzen zeitgeschichtliche Zeichen, haben einen nie erlebten Kunsttourismus hervorgerufen, durchdringen die Medien und die Eventkultur, experimentieren am Essen und an Geräuschen. Wir sind es, die Formen und Funktionen in Frage stellen und Formen und Funktionen durch mögliche Zweckfreiheit zu neuen Reihen ordnen. Kunst tangiert Berufsbilder des Kunsthandwerks wie Restauratoren und Steinmetze und viele andere Gewerke, deren Austauschwert für Afrika wichtiger einzuschätzen ist als die meisten Hilfsmassnahmen.
Weichen für Veränderungen sind in Berlin bereits gestellt. Bei einem parlamentarischen Fachgespräch im Oktober 2006 versammelten sich auf Initiative von Frau Dr. Eid eine Plenarsaal füllende Zahl von Experten um über die Positionen zeitgenössischer Kunst aus Afrika in Deutschland zu reden. Man ging Fragen nach, wie in der Praxis der gelebte Kulturaustausch „zwischen den Welten“ mit Chancen wie auch Hindernissen konfrontiert ist. Welche Bedingungen und Erfahrungen bestimmen die Arbeit der in Deutschland lebenden und wirkenden afrikanischen Künstler? Welchen Einfluss haben transkulturelle Arbeitszusammenhänge auf die eigene Wahrnehmung und auf die Wahrnehmung in den Kunstszenen Afrikas und Deutschlands? Wo und wie findet die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst aus Afrika statt? Wie sind Kunstmarkt und Kunstszene in den afrikanischen Herkunftsländern beschaffen und warum verlassen afrikanische Kulturschaffende den Kontinent?
Ein gut besuchtes Podiumsgespräch mit leitenden Persönlichkeiten von institutionellen Trägern auswärtiger Kulturpolitik wie dem Auswärtigen Amt, dem Haus der Kulturen der Welt, dem Institut für Auslandsbeziehungen und dem Goethe-Institut, vermittelte ein Bild von fast schon merkwürdiger Harmonie und Zuversicht auf eine interessante Zukunft. Dies könnte daran gelegen haben, dass es hier inhaltlich um kulturelle Beziehungen weltweit ging und Afrika nicht explizit Gegenstand der Gespräche war.
Ein nicht öffentliches Treffen von über dreißig diplomatischen Vertretern ging, ebenfalls auf Einladung von Frau Dr. Eid der Frage nach, was Afrikas Botschaften tun können, um kulturelle Belange ihrer Länder bei uns zu fördern.
Im September 2007 wurden noch einmal 10 Experten zu kleiner Runde in das Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags eingeladen und redeten daüber, wie sich Kunstvermittler der alten und neuen Kunst aus Afrika in ihrer Behandlung und Akzeptanz einer einseitigen Belegung und Dominanz durch die Ethnologie ausgesetzt sehen. Stigmatisierende Label wie „Ethnokunst“ oder „Airport Art“ schaffen ein erhebliches Problem beim Umgang und der Vermittlungsarbeit mit afrikanischer Kunst und ihren Kunstschaffenden. Die Frage wurde aufgeworfen, ob weite Bereiche der afrikanischen Kunst der wissenschaftlichen Kunstgeschichte zugeführt werden dürfen und müssen, um ihrem Eigenwert gerecht und mit der Kunst aller sonstigen Zivilisationen gleichgestellt zu werden? Wie und nach welchen Kriterien sollte dies konkret erfolgen? Welche Probleme stellen sich dabei? Welche Vergleichskriterien sind nötig, um die afrikanische Kunst der wissenschaftlichen Kunstgeschichte zuzuführen? Wie stellt sich das Problem vor allem bei alter Kunst aus Afrika? Sollte die Bearbeitung der afrikanischen Kunst auf zwei Disziplinen aufgeteilt oder die gesamte afrikanische Kunst konsequent in die wissenschaftliche Kunstgeschichte verlagert werden?
Die Teilnehmer waren zur einen Hälfte Künstler aus verschiedenen Disziplinen und zur anderen Ethnologen und Kunsthistoriker. Von dort wurde auch die gute Nachricht überbracht, dass Herr Prof. Thomas W. Gaethgens, der neue Direktor des Getty Research Instituts in Los Angeles, vormals Professor an der Freien Universität Berlin, als Abschiedsgeschenk dort eine Professur für afrikanische Kunstgeschichte eingerichtet hat. Noch ist die Belegung offen und die Spannung groß, wer es denn werden könnte.
Eine solche Professur schafft überschaubares Umfeld und bringt interessante Gäste. Um zu Beschreiben wo sich entstehende akademische Vernetzung praktisch bewähren kann, möchte ich unterschiedliche Projekte beleuchten.
Einer der Beteiligten der Expertenrunde war Herr Sawadogo, aus Afrika stammender Kunsthistoriker mit beruflichem Schwerpunkt auf Tanz und Film, der seit drei Jahren mit deutschen Kollegen in mühevoller Kleinarbeit das Filmfestival Afrikamera vorbereitet. Nirgendwo ging ein Topf auf. Durch die Übernahme einer Schirmherrschaft von Dr. Uschi Eid kommt er nun dem Ziel näher, ein jährliches Festival (beginnend im Mai 2008) zu realisieren, auf dem ausgewählte Filme der großen afrikanischen Filmfestivals gezeigt werden.
Dieses Filmfestival in Berlin soll so strukturiert werden, dass nach und nach auch andere Kunstformen aus der zeitgenössischen afrikanischen Kunstszene einbezogen werden, um afrikanische und deutsche Künstler zu vernetzen und Kooperationen zu ermöglichen. Dies macht als Förderung deshalb Sinn, weil bereits bestehende Initiativen und Firmen vor Ort berücksichtigt werden.
Als eine andere Konzeption möchte ich eine für 2009 geplante Ausstellung zu Kunst aus Afrika im Hamburger Bahnhof gegenüberstellen, bei der man in klassischer Manier von oben nach unten vorgeht. Mit Beteiligung des Regierungspräsidiums plant die Nationalgalerie, legt einen Zeitpunkt im Afrika-Jahr von Herr Köhler fest, erkundigt sich nach renomierten Namen für die Stelle des Kurators und beantragt dann ein Budget. Dieses Vorgehen wird fast zwangsläufig auf eine afro-amerikanische Belegung hinauslaufen, weil dort ein Reputationshintergrund vorhanden ist, den sich bei uns noch niemand erarbeiten konnte. Eine Themen- und Werkauswahl hat so schon a priori einen geringeren Bezug zu der afrikanischen Gegenwart, mit der wir in Mitteleuropa und in Deutschland leben.
Als who-is-who-Ausstellung wird die Schau ihre Wirkung auf die Öffentlichkeit nicht verfehlen und wird mit Sicherheit eine Bereicherung. Der Unterschied den ich mit den beiden Beispielen betonen möchte, ist nachhaltige Effektivität. Grossausstellungen wie Documenta 11 oder Africa-Remix, machten ihre größten Patzer dort, wo man lokale Vernetzungen vernachlässigte und hatten auf die in Deutschland agierende Infrastruktur fast keine Schubwirkung. Grosse Budgets wirken auf Kulturtouristen mit refinanzierender Wirkung, laufen aber Gefahr, ohne Einfluss auf die Szene zu bleiben.
Ein anderes Projekt in Berlin wird dagegen deutliche Spuren in der lokalen Szene hinterlassen. Unter Einbeziehung von Künstlern und Galerien wurden namhafte Museen und Sponsoren für ein dreijähriges kulturelles Austauschprogramm gewonnen. Berlin und Windhoek möchten sich als Partnerstädte näherkommen und tun dies mit Künstlerstipendien und Ausstellungen.
Abschließend möchte ich noch provozierend auf eine der wenigen Ausstellungen eingehen, mit denen uns die Ethnologen beglücken. Mit ihrer dritten Station nach Wien und Paris kommt im Februar 2008 die Ausstellung mit dem ihr Thema verfehlenden Titel Könige und Rituale – Höfische Kunst aus Nigeria nach Berlin.
Ethnologen haben eine Vorliebe für Könige, die sie notorisch suchen. Erst wenn ein König vorhanden ist, vergeben sie das Prädikat Hochkultur. Am liebsten, wenn sich noch ein totalitärer Gottkönig daraus machen lässt. Der ganze ethnologische Sprachgebrauch ist voll von verfälschenden Mystizismen, Spiritualismen, Dämonen und Naturgöttern. So auch in dieser Ausstellung. Es wurde völlig außer Acht gelassen, dass sich Bronzekunst nicht nur am Hofe abspielt und auch nicht nur höfische Geschichten abbildet. Ganz falsch ist die Bezeichnung Rituale. Damit hat die Ausstellung gar nichts zu tun. Höfische Kunst zeichnet sich gerade dadurch aus, dass es fast keine kultische Verwendung der Objekte gibt, sondern dass sie repräsentativen Charakter haben.
Soviel zum Titel. Die darin gemachten Fehler ziehen sich auch durch die Inhalte der ersten Ausstellung in Wien und im Katalog. Es wimmelt von inkonsequenten Interpretationen, ungenauen Alterszuschreibungen und nicht gesicherten Provenienzen. Ergebnisse werden vorgegaukelt, die in der Forschung noch nicht erarbeitet sind. Keine ansprechende mediale Begleitung, eine konservative Präsentation und eine dramatisierende Ausleuchtung sind die Ausstellungsarchitektur betreffende Kritikpunkte. Kurz, ein Lehrstück für Vergleiche. Stellen Sie sich an dieser mit wunderbaren Exponaten prall gefüllten Ausstellung vor, wie sie hätte sein können, wäre sie nicht von Ethnologen, sondern von Ausstellungsmachern der Kunst gemacht worden.
Als größter Leihgeber hat das Berliner Ethnologische Museum 60 der über 300 Exponate zur Verfügung gestellt. In der Dauerausstellung des Museum sind ein paar wenige Bronzen ausgestellt. Im Archiv lagern noch etwa 500 Exponate, die auf Jahrzehnte niemand mehr zu Gesicht bekommen wird. Alle nigerianischen Doktoren und Professoren haben bei ihren Reden in Wien in aller Freundlichkeit betont, das auf diesen Stücken ein Rückführungsanspruch besteht. Darum werden die Bronzen noch konsequenter versteckt und die nigerianische Kunsthistorik dadurch blockiert.
In einem Akt der Annäherung an Nigeria, mit allen dahinter liegenden wirtschaftlichen Interessen, könnte es eine freundliche Geste sein, hundert dieser verstaubten Bronzen herauszusuchen und ganz unbürokratisch einem Museum in Benin-City zur Verfügung zu stellen. Nicht dem dortigen König, der keiner mehr ist, sondern dem nigerianischen Volk und der langsam entstehenden Museumskultur. Wir verkaufen Lichttechnik, haben Erfahrung im Klimatisieren, haben professionelle Kuratoren, Bibliothekare und Archivare. Architekten, Schreiner und Kunsthändler können ihre Erfahrung exportieren. Und wenn die Politik unbedingt die ganze Welt mit Polizeiausbildung beglücken möchte, kann sie dies auch in Nigeria. Vor einem Museum macht sich ein Wachmann gut.
Peter Herrmann. November 2007
Teilnehmer einer Expertenrundeim Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags am 24.9.2007
Alex Moussa Sawadogo (Kunsthistoriker, Burkina Faso/Berlin)
Felix Kama (Darstellender Künstler und Autor, Kamerun/Stuttgart)
Manuela Sambo (Künstlerin, Angola/Berlin)
Christian Hanussek (Künstler und Projektentwickler, Berlin)
Dr. Peter Junge (Ethnologisches Museum Berlin-Dahlem, Bereich Afrika)
Dr. Stefan Eisenhofer (Staatliches Museum für Völkerkunde München, Bereich Afrika)
Dorina Hecht M.A.(Kunsthistorikerin, Berlin)
Dr. Britta Schmitz (Kuratorin der Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof)
Prof. Lydia Haustein (Kunsthistorikerin, Berlin)
Peter Herrmann (Galerist und Kurator, Berlin)
Dr. Uschi Eid MdB
Britta Müller (wiss. Mitarbeiterin Büro Dr. Uschi Eid MdB) |