epd. 14.4.2001

Wachsende Anerkennung

Presseseite der Galerie Peter Herrmann




epd-Entwicklungspolitik 6/2001

Hartmut Lorenz

Wachsende Anerkennung Galerist sieht Berlin als Kunstmetropole - zur Akzeptanz zeitgenössischer afrikanischer Kunst in Deutschland

In Berlin wird international anerkannte zeitgenössische afrikanische Kunst künftig nicht nur häufiger zu sehen, sondern auch zu kaufen sein. Die Entwicklung zur Metropole hat den Stuttgarter Galeristen Peter Herrmann in die Bundeshauptstadt gezogen. Die Eröffnungsausstellung präsentiert seit dem 30. März gleich zehn international bekannte Künstler. Stuttgart hat doch mehr die Prägung einer Wirtschaftsmetropole, die von Technik und Entwicklung lebt. Während Berlin sich jetzt mehr und mehr zur kulturellen Metropole entwickelt. Dieser Sogwirkung konnte auch er sich nicht entziehen, sagt Herrmann.

Für den Galeristen ist Berlin ein gutes Pflaster und entwicklungsfähig. Vor allem hofft er auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Haus der Kulturen der Welt. Das ist eine Institution, die so konsequent zu internationaler Kunst arbeitet, wie es in dem Umfang nur in Berlin geschieht. Auch eine ganze Reihe afrikanischer Künstler zieht es nach Berlin. Dennoch ist die Stadt im Bereich der bildenden Kunst noch nicht die Metropole Deutschlands. Da gibt es immer noch Köln, Stuttgart und München. Die Entwicklung geht jedoch eindeutig in diese Richtung, sagt er voraus.

Die Zeit ist gut für Berlin. Wir haben die Zusammenarbeit vom Haus der Kulturen der Welt mit Okwui Enwezor, dem Leiter der documenta 11, nächstes Jahr in Kassel, der verstärkt auch seine Aktivitäten in Berlin hat. Im Gegensatz zu anderen documenta-Leitern plant er im Vorfeld verschiedene Großveranstaltungen. Die erste startete in Wien und wird nach New York, London und Berlin gehen. Mit seiner Rolle bei der documenta wird auch die zeitgenössische afrikanische Kunst aufgewertet werden. Dann wird über die Präsenz der Wertigkeit auch die Präsenz der Inhalte Zugang zu den Sammlungen finden. Damit können wir aus dem Bereich der bildenden Kunst aus Afrika mit einigen guten Botschaften aufwarten, die aus dem Bereich der Politik nicht unbedingt zu hören sind.

Herrmann legt Wert darauf, die unterschiedlichsten künstlerischen Positionen zu zeigen. Über geschweißte oder keramische Skulpturen, verschiedene Facetten der Malerei und Installationen zeigt er die ganze Bandbreite der zeitgenössischen Kunst. Das geht bis zu der bekanntesten Form, der Entwicklung afrikanischer Kunst aus der Schildermalerei. Bis vor vier Jahren wurden in Deutschland eigentlich nur diese naiven Künstler Afrikas ausgestellt. Damit wurde ein Zerrbild verbreitet, weil ein viel breiteres Spektrum zur Verfügung stand.

Zusammen mit einer Münchner Galerie hat Herrmann in diesem Bereich Pionierarbeit geleistet. Wir mussten lange gegen dieses Klischee der naiven Künstler angehen, berichtet er. Viele Jahre haben wir mit den intellektuellen Afrikanern ein Schattendasein geführt, weil die kaum beachtet oder gar verkauft wurden. Verkaufen konnte man naive oder traditionelle afrikanische Kunst. Die habe ich dann dazu genutzt, die zeitgenössischen Künstler zu platzieren, resümiert er. Das hat mehrere Jahre Aufbauarbeit gekostet, bis die ersten Arbeiten verkauft werden konnten. Inzwischen nimmt die zeitgenössische afrikanische Kunst in Ansätzen schon den Platz ein, der ihr als Segment innerhalb der bildenden Kunst zusteht. Die wachsende Akzeptanz führt auch zu besseren Verkaufsergebnissen. Die Künstler haben ihre Bedeutung in den ersten privaten Sammlungen bereits bekommen.

In den öffentlichen Sammlungen in Deutschland sind sie dagegen bisher kaum vertreten. Wir haben nur die Sammlung Ludwig, die verschiedene Werke von Afrikanern angekauft hat. Der Grund für diese sehr spezifische Entwicklung in Deutschland liegt in der Vergangenheit. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern hatte Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg eine ausgeprägte Amerikaorientierung. In der bildenden Kunst hat es bis 1995 eigentlich nur Verbindungen zwischen Köln und New York gegeben.

Afrikanische Künstler aus Musik, Literatur oder der bildenden Kunst wurden in den Medien nicht behandelt. Lange Jahre gab es das Problem, dass im Bereich der Journalisten niemand kompetent darüber berichten konnte, weil sich niemand auskannte. Kunsthistoriker hatten den Bereich afrikanische Kunst, ob zeitgenössisch oder traditionell, ausgeblendet. Sie ist dort bis heute kein Studieninhalt.

Die Balance zwischen Geist und Kommerz

Das erklärt auch, warum es bisher keinen Zugang zu öffentlichen Sammlungen gegeben hat. Die Institutionen warten zunächst ab, bis die einzelnen Künstler eine sichtbare Wertigkeit bekommen haben. Die ist in Deutschland aber schwer durchzusetzen. Immer wenn ich das Thema Wertigkeit ins Spiel gebracht habe, gab es Angriffe aus der linksorientierten, der nonkommerziellen oder auch aus der christlichen Ecke, erinnert sich Herrmann. Sofort wurde Ausbeutung und Kulturausplünderung beim Verkauf afrikanischer Kunst vermutet. Gegen solche Vorurteile, auch von wohlmeinenden Menschen, war es sehr schwer, sich durchzusetzen und Pragmatismus ins Spiel zu bringen.

Erst als diese Vorhaltungen überwunden waren und bestimmte Bevölkerungskreise davon überzeugt werden konnten, dass der Verkauf afrikanischer Kulturgüter nicht mit Kulturausbeutung gleichzusetzen ist, sondern dass dieser Markt einfach zu differenziert ist, um vorschnell mit solchen Begriffen umzugehen, bietet sich jetzt auch ein Markt. Der nächste Schritt in Deutschland wird sicher sein, dass in nächster Zeit verschiedene Afrikaner sich auch in größeren Sammlungen platzieren werden.

In Galeriegesprächen kommt immer noch der Vorwurf einer kommerziell-pragmatischen Ausrichtung. Das hat mir durchaus schon viel Ärger eingebracht, berichtet der Galerist. Wenn Afrika ins Spiel kommt, gibt es auch immer den Rückgriff auf einen Hilfscharakter der Beziehungen. Diesem Bild entspreche ich überhaupt nicht, betont er. Ich plädiere, sehr zur Freude meiner Künstler natürlich, eher für fairen Handel. Sonst werden die Künstler "im gemeinsamen Kampf für das Wohl Afrikas" gern vorgeführt, aber leben können sie von den Anfahrtskosten nicht, die ihnen gezahlt werden. Die Leute sind keine Studenten mehr, sondern haben Familien zu versorgen. Glücklicherweise sind einige von ihnen in der Lage, ausschließlich von der Kunst zu leben.

Die Afrikaner, die international bekannt sind, zog es bisher in Metropolen wie Paris und London, die einfach von der afrikanischen Bevölkerung her attraktiver waren. Bis Berlin hier einen Ruf entwickelt hat, muss man abwarten. Im Bereich der Musik sind es schon ein paar mehr Künstler. Aber Berlin wird auch in der bildenden Kunst den Charakter einer Metropole bekommen und eine Szene entwickeln, steht für den Galeristen fest.

Künstler zwischen Tradition und Moderne

In seinem Begleitprogramm geht Herrmann aber auch anderen spannenden Fragestellungen nach. Ein Freund von mir ist mit der ersten Asylwelle aus Ghana nach Deutschland gekommen, berichtet er. Er musste im Alter von 21 Jahren seine Heimat aus politischen Gründen verlassen und ließ sich als Musiker in Stuttgart nieder. Plötzlich wurde er in der heimatlichen traditionellen Hierarchie eine Art Unterkönig der Aschanti. Heute hat er eine eigentümliche Doppelfunktion. Einerseits lebt er als Musiker in Stuttgart und andererseits hat er in Ghana eine sehr würdevolle Position. Er ist ein Paradebeispiel für einen Afrikaner heute und das Leben zwischen Tradition und Moderne. Das hat mich veranlasst, über ihn eine fotodokumentarische Ausstellung zu machen.

In diesem Zusammenhang hat es sehr interessante Veranstaltungen mit Afrikanern gegeben. Die sind natürlich froh, aus diesen traditionellen, konservativen Zusammenhängen entflohen zu sein und hier in Deutschland an einem kosmopolitischen Leben teilnehmen zu können. Am wenigsten sehnten sie sich nach den traditionellen Adelshierarchien, die in Afrika wieder restauriert werden. Sie wollen direkt an Demokratie in Afrika heute anknüpfen. Solche Themen wie Hierarchien betrachten sie mit äußerster Distanziertheit.

Aber auch diese Auseinandersetzungen wollen wir gerne führen, erklärt Herrmann. Denn Afrika kann nicht in einen Demokratisierungsprozess gehen, ohne die alten Clan- und Stammesstrukturen zu berücksichtigen. Der Interessenkonflikt zieht sich über den gesamten afrikanischen Kontinent. Diese Themen, die sehr stark in den Bereich der völkerkundlichen Museen gehen, treffen leider auf unglaublich starre Wissenschaftsansichten bei den Ethnologen. Das ist der Zweig, der unter den Wissenschaften als der am rückwärtsgewandteste Wissenschaftszweig gilt, kritisiert Herrmann. In Stuttgart waren Auseinandersetzungen mit ihnen verheerend. In Berlin hofft er dagegen auf offenere Ohren.

Bei der Präsentation afrikanischer Kunst will der Galerist weiter "wertkonservativ" bleiben. In seiner ersten Berliner Ausstellung zeigt er gleich zehn der von ihm repräsentierten Künstler. Davon sind sieben Afrikaner und drei Europäer, die sich mit zeitgenössischen Afrikanern beschäftigt haben oder mit ihnen kooperieren. Danach ist ein Highlight aus der traditionellen Kunst geplant. Im Dezember soll es ein Zwischenresümee unter dem Titel "Berliner Konferenz - Afro-Schwäbisches trifft auf Berliner Positionen" geben. Das knüpft an seine letzte Ausstellung in Stuttgart an, wo in einer "Dreierkonferenz" Arbeiten von drei Künstlern gezeigt werden, die auf dem gleichen internationalen Niveau arbeiten.

Der Wechsel nach Berlin war ein Sprung ins kalte Wasser, sagt der Galerist. Das Interesse an zeitgenössischer afrikanischer Kunst ist jedoch gewachsen. Das Publikum ist interessiert, auch deutsche und europäische Künstler. Neue Akzente werden sich erst mit der Zeit ergeben. Das werden Ausstellungen mit einem verspielten Charakter, wo Fragen nach Berliner Positionen, in der Stadt lebenden afrikanischen Künstlern und der dort lebenden afrikanischen Bevölkerung gestellt werden.

Hartmut Lorenz ist freier Mitarbeiter der Redaktion in den neuen Bundesländern. Evangelischer Pressedienst (epd), Zentralredaktion, Ressort: epd-Entwicklungspolitik
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